Der goldene Thron
dennoch sollten sie nicht glauben, dass er Angst vor ihnen hatte. Also saß er ab. »Nun, das würde ich ihm gern selbst sagen«, antwortete er ein wenig hochnäsig, obwohl er sich keineswegs in einer glücklichen Lage befand, denn der Mann mit der Lanze war auch jetzt noch nah genug, um ihn jederzeit aufspießen zu können.
Erstaunlicherweise lachte sein Gegenüber jedoch. »Nun, dann mal heraus mit der Sprache!«
Guillaume sah ihn unwirsch an. »Ich sagte doch, ich …« Weiter kam er nicht.
»Erkennst du mich denn nicht?«, fragte der Mann amüsiert und ging einen Schritt auf ihn zu.
Einen Augenblick lang war Guillaume verunsichert. Er musterte den Mann genauer, denn seine Erinnerungen an den Onkel waren nur dunkel. Nur einmal hatte Guillaume ihn gesehen, nicht älter als sechs oder sieben war er damals gewesen. Dannaber schüttelte er den Kopf. »Ich erinnere mich nicht an das Gesicht meines Onkels, aber ich weiß, dass seine Haare und seine Augen die gleiche Farbe haben wie die meiner Mutter, und diese, das könnt Ihr mir glauben, werde ich nie vergessen. Ihr, Sir, seid ganz sicher nicht mein Onkel, denn Ihr habt keinerlei Ähnlichkeit mit meiner Mutter. Was versprecht Ihr Euch davon, Euch als Patrick of Salisbury auszugeben?« Guillaume funkelte ihn aufgebracht an.
»Für wen hältst du dich, dass du mich als Lügner bezeichnest?«
»Für einen Ehrenmann«, erwiderte Guillaume und zückte blitzschnell sein Schwert. »Wenn Ihr kein Feigling seid, dann kämpft Mann gegen Mann, statt Euch hinter Euren Männern zu verstecken!«, rief er tollkühn.
Der Mann, der versucht hatte, ihn an der Nase herumzuführen, zückte sein Schwert und hob die Hand, damit seine Begleiter ihre Waffen sinken ließen. Er parierte gekonnt, als Guillaume den ersten Angriff ausführte.
»Genug!«, donnerte plötzlich eine kräftige Stimme, und die beiden Kontrahenten blieben wie angewurzelt stehen. Ein Mann, der sich zuvor im Hintergrund gehalten hatte, ritt auf sie zu. Er hatte die gleichen klaren, blauen Augen wie Guillaumes Mutter.
»Mylord!« Guillaumes Gegner machte eine tiefe Verbeugung und wich ein paar Schritte zurück.
»Sir Patrick?«, fragte Guillaume. Der Mann kam ihm seltsam bekannt vor. Als er statt einer Antwort nur milde lächelte, war Guillaume sicher, dass er am Ziel seiner Reise angelangt war.
»Wir wissen seit Tagen, dass du uns folgst, und dachten, dass du ein Spion der Lusignans bist«, erklärte der Earl of Salisbury.
Guillaume sank ehrfürchtig vor ihm auf die Knie und neigte demütig den Kopf.
»Schon gut, Junge, erheb dich und erzähl mir, was dich zu mir führt!«, forderte der Earl ihn auf und stieg vom Pferd.
Guillaumes Übermut war mit einem Mal dahin. Unsicher wie ein kleiner Junge stand er da und wagte nicht zu sprechen. Gerade so wie in Tancarville, als er den Kammerherrn um Entlassunggebeten hatte, war er auch jetzt hin- und hergerissen zwischen Angst und Hoffnung. Ob ihn der Onkel bei sich aufnehmen würde?
Der Earl of Salisbury sah ihn wohlwollend an. »Kaum zu glauben, wie sehr du deinem Vater und meiner lieben Schwester ähnelst«, murmelte er und lächelte erneut. »Du bist ein Mann geworden und hast von beiden nur das Beste mitbekommen, wie mir scheint.« Er legte seinen Arm um Guillaumes Schultern. »Nun erzähl schon, was führt dich zu mir, mein Junge?« Seine Stimme hatte jenen väterlichen Unterton, den Guillaume einst bei Tancarville geliebt und am Ende so schmerzlich vermisst hatte.
»Ich suche …«, Guillaume räusperte sich. Der Earl war ein beeindruckender Mann: gut aussehend, in den besten Jahren, mit breitem Kreuz und wachen Augen. Guillaume atmete tief ein, schob sein Schwert zurück in die Scheide, straffte sich und begann von vorn. »Ich würde gern … ich meine, würdet Ihr mich …«, stammelte er. Alle höflichen Worte und wohlüberlegten Sätze, die er sich in den vergangenen Tagen zurechtgelegt hatte, waren wie weggeblasen. Guillaume wäre am liebsten im Erdboden versunken. Er war kein Kind mehr. Was sollte der Onkel nur von ihm denken, wenn er so stockend sprach? Er würde ihn für einen einfältigen, tumben Nichtsnutz halten!
»Du hast das Kämpfen in Tancarville gelernt, nicht wahr?«, unterbrach der Earl seine Gedanken. »Ich riet deinem Vater dazu; wir sind mit dem Kammerherrn verwandt, wie du weißt.«
»Ja, Sir!« Guillaume bemühte sich, aufrecht und zuversichtlich auszusehen, bevor er seine Frage neu formulieren wollte.
Der Earl lächelte. »War Ours
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