Der goldene Thron
ihm die Brust davon schmerzte. Wie sehr hatte er davon geträumt, an der Seite seines Herrn in einen solchen Wettstreit zu ziehen! Ob er ihn mitnehmen würde?
»Jeder, der mich begleitet, bekommt ein Schlachtross von mir«, rief Tancarville.
Bitte, Herr, flehte Guillaume im Stillen, lass den Kammerherrn ein Einsehen haben und mich mitnehmen!
Und tatsächlich wandte sich Tancarville später an ihn. »Kommst du mit uns, Guillaume?«, fragte er und lächelte.
»Mit Freuden, Mylord!« Guillaume strahlte. Endlich schien ihm das Schicksal wieder gnädig zu sein! Auch wenn er den Sinneswandel seines Herrn nicht verstand, so war es doch ein wunderbares Glücksgefühl, erneut in seiner Gunst zu stehen!
Als der Kammerherr wenige Tage später alle Ritter in den Hof beorderte, war Guillaume einer der Ersten, der seinem Ruf folgte. Beglückt betrachtete er die herrlichen Tiere, die von den Stallknechten herbeigeführt wurden, und als Tancarville begann, einen jungen Ritter nach dem anderen aufzurufen, um jedem ein prachtvolles Schlachtross zu übergeben, bekam Guillaume feuchte Hände vor Aufregung.
Jeder von ihnen erhielt ein wundervolles Pferd, nur Guillaume wurde achtlos ausgelassen! Enttäuschung schnürte ihm die Kehle zu. Würde sein Herr ihn tatsächlich als Einzigen leer ausgehen lassen? Glaubte er etwa, das Pferd, das sich Guillaume von dem Geld für den Mantel gekauft hatte, reiche aus? Nein, das konnte nicht sein! Manche seiner Kameraden nannten zwei oder drei Pferde ihr Eigen und hatten trotzdem noch eines vom Kammerherrnbekommen. Warum also ließ Tancarville ihn aus? Wollte er ihn beschämen, oder hatte er ihn vergessen?
»Verzeiht, Mylord, wolltet Ihr mir nicht ebenfalls …«, begann Guillaume kleinlaut.
»Sorge dich nicht, ich habe dich nicht vergessen …«, unterbrach Tancarville ihn mit unbewegter Miene. In seinen Augen aber glaubte Guillaume ein spitzbübisches Leuchten zu sehen. »Im Gegenteil, ich habe ein ganz besonderes Pferd für dich ausgewählt.« Er schnippte mit den Fingern, und einer der Stallburschen zog einen störrischen Hengst herbei, den er kaum von der Stelle bekam. Zwar war das Pferd in der Tat ungewöhnlich schön – es hatte kräftige Flanken und glänzendes schwarzes Fell –, doch war es viel zu widerspenstig, um schon in wenigen Tagen auf einem Kampfplatz bestehen zu können! Es würde eine Ewigkeit dauern, um es zu bändigen. Die aber hatte Guillaume nicht. Er fühlte, wie Trauer und Enttäuschung in Erbitterung umschlugen. Selbst wenn er Tag und Nacht mit dem Pferd verbrachte, um es an sich zu gewöhnen, würde er es nicht schaffen, das Tier zu reiten, ohne dass es ihn bei der erstbesten Gelegenheit abwarf und zum Gespött aller machte.
Tancarville sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
Einige der anderen jungen Ritter stießen sich mit den Ellenbogen an und grinsten schadenfroh.
»Ein prachtvolles Tier, Herr, habt Dank!«, erwiderte Guillaume, bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn die Wahl seines Herrn verdross. Hocherhobenen Hauptes nahm er die Zügel entgegen und strich sanft mit der Hand über den Hals des schönen Tieres. Als er es fortführen wollte, bockte es. »Schon gut«, raunte Guillaume ihm zu, doch das Pferd scheute erneut, statt sich zu beruhigen. Guillaume bemühte sich, das hämische Getuschel der anderen nicht zu beachten, und zog das halsstarrige Tier davon.
Jeden freien Augenblick verbrachte er von nun an mit dem Pferd, das er nach dem Schlachtross Alexanders des Großen Bucephalus genannt hatte. Der Sage nach hatte Bucephalus alsunbezwingbar gegolten, doch Alexander war es gelungen, ihn zu zähmen, und der Hengst hatte ihm von da an stets gute Dienste geleistet. Vielleicht, so hoffte Guillaume, gelang es ihm ja ebenfalls.
Der Tag des Aufbruchs aber kam viel zu rasch. Obwohl sich Guillaume inzwischen immerhin zutraute, Bucephalus zu reiten, würde sich erst noch zeigen müssen, ob das eigensinnige Tier während des Turniers nicht bockte und ihn abwarf. Einen Versuch aber war es wert, denn Bucephalus war ein großartiges, imposantes Schlachtross. Guillaume war so sehr mit dem Tier beschäftigt gewesen, dass er bis zum Tag ihres Aufbruchs nicht einmal die Zeit gefunden hatte, sich gescheit von Alan zu verabschieden. Im Vorübergehen nur hatte er ihr zuraunen können, dass er Tancarville verlasse und nicht wisse, wann und ob überhaupt er zurückkehre. Bei dem Gedanken, Alan vielleicht niemals wiederzusehen, wurde ihm das Herz schwer.
Weitere Kostenlose Bücher