Der Goldschatz der vom Himmel fiel
Silberschmied
rieb mit beiden Händen seinen Schmerbauch. „So hat das Vater gesagt. War erbost
über Tochtermädchen. Muss besser erzeugen... eh... erziehen, hat das Vater zu
mir gesagt. Richtig! Meine Meinung! Tochtermädchen und Frau muss gehorchen.
Sonst alles Ordnung... pffffff!“ Er schnippte mit den Fingern.
Cool bleiben!, dachte Tim. Aber
sein Herz raste. Das ist Kidnapping. Und der Täter weiß Gabys Namen.
Mit erzwungener Ruhe wandte er
sich an den Dicken. „Wohin hat das Vater sein Tochtermädchen gezogen?“
„Dort.“ Der Dicke wies in die
Gasse.
„Sie haben das Vater gesehen?“
„Ja. Hat mich zugelacht. Großer
Mann. Gesicht wie General. Dünn mit vieles Knochen. Gelbes Haar. Sehr gutes
Lederjacke. Glaube, das in Italien gekauft. Vielleicht Rom.“ Schwitzke ist das
nicht, dachte Tim. Also hat er Helfer. „Danke!“ Tim nickte dem Dicken zu. „Wir
kommen wieder und dann kaufen wir Silberschmuck.“
Zu dritt folgten sie der
dunklen Gasse. Vorbei an geschlossenen Hauseingängen. Ein endloser Weg. Tim wusste,
dass es sinnlos war. Aber was sonst sollten sie tun, wo suchen? Die Gasse
endete auf einem großen Platz. Hier war die Welt wieder neuzeitlich. Autos
parkten. Häuser bildeten ein Halbrund. In den Cafés saßen Männer, qualmten wie
Selbstmörder und tranken Mokka, Tee oder Lekmi, den frischen Saft aus dem Stamm
der Dattelpalme.
„Hier hat natürlich der Wagen
gewartet“, sagte Tim heiser, „mit dem sie Gaby weggebracht haben.
Wahrscheinlich ist sie betäubt worden. Und eingewickelt in einen Teppich oder
sowas. Bestimmt waren es zwei. Der knochige, blonde General und... wer noch?
Natürlich Schwitzke. Denn sonst kennt uns hier keiner. Warum? Wozu? Hängt es
damit zusammen, dass uns der Spendensammler gestern Abend belauscht hat — an
der Kabinentür? Als wir auf Slibowitz und Kinkel geschimpft haben.“
„Dann bestünde eine
Verbindung“, sagte Karl, „eine kriminelle.“
Tim nickte. „Hier laufen wir
auf. Hier geht nichts. Wir müssen zum Club zurück.“
7. Gefangen
Ihr war übel. Seekrank!, sagte
etwas in ihrem Kopf. Nein!, dachte sie benommen. Klößchen ist seekrank. Ich...
ich... mir ist so furchtbar schlecht, weil...
Sie schlug die Augen auf.
Grelles Licht flimmerte. Aber das Licht ist nicht grell, dachte Gaby. Meine
Augen sind nur so empfindlich.
Sie lag, spürte das, setzte sich
auf — und noch bevor sie ihre Umgebung wahrnahm, kam die Erinnerung zurück.
Dieser große knochige Kerl, der
sie plötzlich hinterrücks gepackt hatte — vor dem Silberschmuckladen. Ein
eiserner Griff. Die Hand hatte ihr der Kerl auf den Mund gepresst, damit sie
nicht schreien konnte. Zum Silberschmied dann die dreiste Behauptung, er wäre
ihr Vater. Und ab in diese schreckliche dunkle Gasse. Nur Sekunden hatte alles
gedauert. Im Dunkeln hatte ein Zweiter gewartet. Mit einem übel riechenden
Lappen. Den hatten sie ihr aufs Gesicht gedrückt. Vollnarkose. Filmriss. Und
nun?
Gaby sah sich um. Ein Zimmer
war’s. Weiße, gemauerte Wände. Ein hübscher Diwan, auf dem sie saß. Ein kleiner
Messingtisch mit einem Lederhocker. Dort eine halb geöffnete Tür. Dahinter WC
und Bad — offenbar nach westeuropäischem Standard. Die Tür — schwer, massiv,
beängstigend. Nämlich wie eine Kerkertür. Und jetzt bemerkte Gaby das Fenster,
hinter dem die Dämmerung in den Abend überging.
Das Fenster war vergittert.
Sie erhob sich. Ihre Beine fühlten
sich schwach an. Sie zitterte. Sie hatte Kopfweh und der Hals war trocken.
Das Fenster lag hoch. Gaby
musste sich auf die Zehen stellen. Sie sah einen schmalen Streifen Garten mit
zwei Palmen und sandigem Boden. Er endete an einer hellen, mindestens drei
Meter hohen Mauer. Lag dahinter der Strand, das Meer?
Gaby ahnte, wo sie sich befand:
im Schlupfwinkel, in der Exil-Behausung des serbischen Kriegsverbrechers und
seiner Helfershelfer.
Unter den Augen meiner Freunde,
dachte sie mutlos, hat man mich entführt. Und nicht mal Tim hat was gemerkt —
jedenfalls nicht rechtzeitig.
8. Das Spiel mit der Handschriften-Deutung
An der Club-Rezeption erklärte
Frau Hannen freundlich, aber etwas verwundert, nein, sie habe Gaby nicht
zurückkommen sehen.
Auf dem Weg zum Zimmer meinte
Tim: „Man wird sich bei uns melden. Telefonisch. Darauf wette ich. Wir kriegen
unsere Anweisungen. Und Gaby ist das Druckmittel.“
Karl schloss die Tür auf und —
verharrte.
Im Zimmer brannte Licht.
Tim drängte sich vorbei und
trat als Erster ein. Aber sie
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