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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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ruhiger, sanfter Stimme.
    Gwyn antwortete nicht, und der Mann sprach weiter.
    »Eine schöne Waffe und eine gute dazu. Aber nur in der Hand eines geübten Schützen. Auf die Entfernung von wenigstens zehn Schritt durchschlägt solch ein Pfeil noch ein Kettenhemd. Wenig Menschen in Britannien können damit umgehen.«
    Gwyn antwortete nicht. Der alte Meister machte keinerlei Anstalten, ihn zu tadeln. Dafür, dass er seine Arbeit im Stich gelassen hatte und neugierig durch das Haus geschlichen war. Gwyn erschien alles etwas unwirklich. Hier stand er zusammen mit seinem Lehrherrn, den er nur schwach und kränkelnd kannte. Stattdessen ergriff Fallen seine Krücke, die er an einer Schnur auf dem Rücken trug, und stützte sich darauf. Dann nahm er einen Pfeil aus dem leinenen Sack und wog ihn prüfend in der Hand. Er legte den Schaft an die Sehne und zog scheinbar mühelos, bis die dünne Schnur an seine Nase stieß. So hielt er einen Moment lang inne und zielte in die Dämmerung vor sich in den Raum. Der Lehrling betrachtete all dies mit leisem Erstaunen.
    Sein Lehrherr, ein Krüppel, stand nun vor ihm, voll Würde und geheimer Kraft. Mit kaum wahrnehmbarer Handbewegung ließ Fallen los und schoss den Pfeil ab. Genauso folgten zwei weitere Pfeile. Auch sie verschwanden mit leisem Surren in dem großen, dunklen Raum.
    Nach dem letzten Schuss drehte sich der Alte um und sah Gwyn ins Gesicht. Er schien belustigt über den erstaunten Blick des Jungen. »Ein guter Bogenschütze zwingt den Pfeil zum Ziel. Zu jeder Zeit, an jedem Ort.«
    Gwyn wagte nicht, zu antworten. Sein Hals war wie zugeschnürt.
    »Komm her, Söhnchen!« Fallen winkte ihn zu sich. »Geh und hole mir die Pfeile wieder. Aber sei behutsam. Stecken dort in einem Balken. Verbieg mir nicht die Spitzen. Achte darauf, wie sie im Ziele stecken.«
    Gwyn nickte und wandte sich um.
    »Das Licht, Gwyn! Nimm dir ein Licht. Es sind mehr als zehn Schritte dorthin.« Der alte Meister lachte leise. Aber es klang gar nicht spöttisch, eher voll geheimer Freude.
    Gwyn nahm die Kerze und folgte der angegebenen Richtung. Schritt für Schritt leuchtete er, immer gewahr, die Brandmauer, und damit das Ende des Dachbodens, zu erreichen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er die gegenüberliegende Wand erreichte. Dort stand der letzte Stützbalken, auf dessen Ende die Pfette ruhte, die dem Dach Halt und Ansatz zu weiterer Form gab. Gwyn leuchtete umher. Die Pfeile konnte er nirgends entdecken.
    »Sieh dorthin, wo deine Augen noch leicht schauen!«
    In Augenhöhe, untereinander, exakt in einer Linie ausgerichtet, steckten die drei Pfeile in dem Balken. Der Abstand zwischen jedem Pfeil betrug genau die Breite seiner Hand.
    Bei diesem Anblick fröstelte es Gwyn plötzlich erneut, und er zitterte. Und es wollte nicht aufhören, während er auf die Pfeile starrte.
    ***
    Mehr als drei Jahre waren vergangen, seit Gwyn die Lehre bei Master Fallen begonnen hatte. Längst beherrschte er die wichtigsten Techniken der gebräuchlichen Goldschmiedekunst, die in jener Zeit bekannt waren. Mehr denn je war für seinen Lehrmeister zu erkennen, dass Gwyn bald eigene Entdeckungen anwenden würde. Dinge, die er selbst beim Erlernen althergebrachter Anwendungen neu erfahren hatte. Der alte Fallen war indes ein recht wohlhabender Mann geworden. Die Gilde der Goldschmiede zu London hatte ihn als Meister und Mitglied der Zunft erneut bestätigt. Ihn, dessen einst so großen Namen sie viele Jahre verschämt verschwiegen hatten. So wurde er durch diese Bestätigung weit über die Stadtgrenze hinaus wieder bekannt. Könner seines Handwerks, war seine Kunst bald sehr begehrt. Die Aufträge nahmen stetig zu, und Gwyn konnte bald mehr als genug zeigen, was er bereits alles erlernt hatte. Immer mehr Bürger waren interessiert, sich Schmuck von Fallen und seinem begabten Lehrling anfertigen zu lassen. Gwyns leichte und sichere Entwürfe für kleine Spangen, Fibeln, frommen Schmuck, wie auch Halsbänder und Ringe sprachen sich unter den wohlhabenden Bürgern herum.
    Fallen bezahlte Gwyn jeden Monat zwei Pence. Es war nicht mehr als ein kleines, aber regelmäßiges Handgeld. Keine übliche Sitte, wie sie die Zunft vorschreibt. Fallen wusste genau, dass sein Schützling dieses Geld nicht für sich verwendete, sondern alles seiner Mutter Eyleen und seinem Bruder Sidney schickte.
    Auch Gwyn war verändert. Sein Blick verriet stets die wache Aufmerksamkeit, wie man sie oft bei Menschen findet, die gespannt sind auf

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