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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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sich mit Handelsorders und Aufträgen. Noch in Jahrhunderten würden interessierte Geister genau nachlesen können, welche Wünsche die einzelnen Käufer dem Duo Faber aurifex nannten. Gwyn fühlte, dass er zufrieden war wie lange Zeit nicht mehr. Vorbei waren die schweren Gedanken an all das zurückliegende Leid in seiner Heimat. Es war ihm, als sei er in diesem Teil des Abendlandes auch ein anderer Mensch geworden. Sein heimlicher Kummer verschwand wie ein böser Traum. Nur manchmal musste er an Agnes denken. Trotzdem, Gwyn begann wieder zu lachen.
    Dazu kam, dass nicht wenige Frauen, junge Mägde wie Edeldamen, dem schlanken und gutaussehenden Goldschmied mehr als nur einen interessierten Blick zuwarfen. Er trug sein Haar schulterlang, sein Gesicht war bartlos und seine Haut rein, nicht zu sehr gebräunt. Auffallend waren seine langen und feingliedrigen Hände. Gwyn fühlte sich in seiner Eitelkeit gestärkt und begann so manchen Flirt. Dabei achtete er darauf, Damen nur in Begleitung anzureden, denn es galt als Flegelei, eine einzelne Frau anzusprechen. Er blieb immer galant, und seine geistreichen Bemerkungen halfen mit, so manches feine Geschäft zu tätigen.
    Sosehr ihm die geistreichen Gespräche mit so manch hübscher Dame Spaß machten, so wusste er doch genau, wie sehr es Anstand und Sitte verboten, einer Frau mehr als nur ein paar schmeichelhafte Komplimente zu machen, zumal, wenn sie alleine unterwegs war. Dies war selten genug. Fast immer waren Frauen in kleinen Gruppen oder mindestens zu zweit zu sehen. Das lag daran, dass sich die meisten Frauen immer wieder einmal einem groben Griff oder einem frechem Mund erwehren mussten. Außerdem verbot es die Sitte, dass eine Frau allein unterwegs war, für eine verheiratete Frau war es gar undenkbar. Eine Begleitung, und wenn es nur ein Hausdiener oder ein Knecht war, war immer zugegen. Ältere Frauen oder gar Greisinnen dagegen sah man des Öfteren einmal alleine. Aber Gwyn spürte, dass er gerne so manches junge Landshuter Mädchen näher kennengelernt hätte, als einfach nur durch ein paar fröhliche Worte. Er beschloss, auf seinen Charme zu vertrauen. Da kam ihm ein Zufall sehr zustatten. Jochen hatte sich am Nachmittag zuvor ein zweites Mal mit einem jungen Mädchen getroffen. Am nächsten Tag, als er sich mit seiner Eroberung recht brüstete, wollte Gwyn weder in Gedanken noch in Worten hintanstehen.
    »Seit Tagen erzählt Ihr mir von einem Fräulein. Ich sah sie nur einmal von fern. Aber neugierig bin ich doch«, bemerkte Gwyn und tat betont uninteressiert.
    Er montierte eine Drahtziehvorrichtung, um daraus feinen Golddraht zu fertigen.
    Jochen war sofort bei der Sache. Es war ihm ein liebes Thema, über seine Eroberung zu sprechen. Sie war ein junges Mädchen, das als fleißige Wäscherin ihrer großen Familie ein Zubrot verschaffte, so viel hatte Gwyn bereits erfahren.
    »Sie heißt Ingeborg und kommt aus einer Stadt, die Passau wird genannt.«
    »Passau? Ist recht weit weg von Landshut, nicht wahr?«
    »Ja«, meinte Jochen ein wenig verwirrt, »aber …«
    Gwyn musste über Jochens Gesicht lachen. Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    »Also, …« Jochen zögerte jetzt, weiterzusprechen.
    »Also, was?«, fragte Gwyn, erneut betont gleichgültig. Der Draht war gehärtet und ließ sich recht leicht durch eine der Öffnungen ziehen.
    »Ingeborg ist …«, hub Jochen wieder an.
    »… ein braves Mägdelein«, entgegnete Gwyn schnell.
    »Ja, das ist sie!«, sagte Jochen, und er strahlte dabei übers ganze Gesicht.
    »Und sie ist allerliebst anzuschaun«, sagte Gwyn ein wenig lahm hinzu.
    »Das ist sie wohl, Herr Carlisle«, antwortete Jochen fast ein wenig entrüstet.
    »Und sie ist Eure Braut«, antwortete Gwyn jetzt schnell.
    »Hoho, Herr Faber, nicht so schnell. Weiß nicht, woher Ihr dies Ross habt, auf das ich mich setzen soll.«
    Gwyn lachte und zog einen weiteren Draht. »Aber sie ist doch allerliebst, Ihr sagtet es selbst«, beharrte Gwyn.
    »Und?«
    »Jochen, ich denk, Ihr tut recht geheim vor mir.«
    Gwyn schüttelte den Kopf und lachte dabei erneut. Das war kein leichtes Spiel, dem Gefährten ein paar pikante Erlebnisse zu entlocken, aber es begann ihm zu gefallen. Jochen war ein guter Goldschmied, aber manchmal in seinen Gedanken so langsam, dass es fast ein wenig an Einfalt grenzte. Je weniger er dem englischen Faber sagte, umso mehr erzählte er ihm.
    »Ihr wart einen ganzen Tag lang fort. Aus den Augen, aus meinem Sinn. Ich bin Euch

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