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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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kosteten frischen Beerenlikör und sahen den Gauklern bei ihren Darbietungen zu. Beide Männer achteten sehr darauf, möglichst galant und zuvorkommend zu sein. Die beiden Frauen waren fröhlich und guter Laune. Ingeborgs helles Lachen war ansteckend, Annas Lachen frisch und mit einem Schalk dabei, dem sich Gwyn kaum entziehen konnte. Der Abend war sehr warm. Noch immer herrschte ein reges Treiben in der Stadt, voll gespannter Erwartung auf das große Stechen, das ab dem morgigen Sonntag beginnen sollte. Die beiden Frauen schlugen nun einen Spaziergang am Flussufer vor. Abends wollten die Mägde nicht unbedingt allein dort herumstreifen, aber in männlicher Begleitung hätten sie keine Furcht. So erklärten es die Mädchen mit fröhlichen Augen, und nur zu gerne willigten die beiden Männer ein.
    Hinter den Stadtmauern begann eine wilde Flusslandschaft, wie sie seit Jahrhunderten hier zu finden war. Noch wenigstens 100 Jahre sollte es dauern, bis auch die Flussauen weit vor der Stadt besiedelt und kultiviert wurden.
    Die Mädchen schienen alles gut ausgedacht zu haben. Sie wussten, dass das Stadttor auf dieser Seite bis kurz vor Mitternacht geöffnet blieb, denn noch waren Karawanen mit dem Tross vieler Ritter unterwegs, die für den morgigen Turniertag heranschafften, was noch gebraucht werden würde.
    Als Gwyn sich nach Jochen und Ingeborg umsah, waren sie auf einmal verschwunden. Er wollte stehen bleiben und nach ihnen schauen, aber Anna zog ihn sanft mit sich.
    »Lasst nur, Herr Carlisle, ist schon gut. Ingeborg will heute ein Versprechen. Da stören wir nur.«
    Gwyn nickte zum Verständnis und sah über den Himmel. Es war noch immer sommerlich hell und sehr warm. Außer dem Rauschen des breiten Flusses war nichts mehr zu hören, nur von den fernen Stadtmauern war manchmal ein Licht zu sehen, das von den Wachen auf den Wehrgängen stammte.
    »Was tun wir in dieser Zeit?«, fragte Gwyn galant.
    »Oh, wir könnten uns ein wenig unterhalten«, meinte die Frau.
    Gwyn nickte zustimmend und bot der Frau den Arm zum Geleit.
    »Ich erfuhr, Ihr seid aus dieser Stadt?«, fragte Gwyn höflich.
    »Es ist nett, wie Ihr dies sagt. An Euren Worten haften immer noch die Spuren der Normannensprache«, antwortete sie freundlich.
    »Brite, liebes Fräulein, ich bin Brite.«
    »Trotzdem ist es nett, auch wenn Ihr unsere Sprache sehr fein sprecht.«
    »Ich dank Euch sehr, für Euer freundliches Wort. Aber, sagt …«
    Er hielt mit seiner Frage inne, denn sie hatte sich von seinem Arm losgemacht und raffte den Rock ein wenig, dann kletterte sie erstaunlich behende zwischen den umgestürzten Bäumen und ein paar Felsblöcken zum Flussufer hinunter. Gwyn konnte ihr gar nicht so schnell folgen.
    »Anna, gebt acht! Hier ist es nicht mehr sehr hell, Ihr könntet … Anna!«
    Gwyn hörte sie zwischen dem dichten Grün lachen, und während er ihr folgte, verwünschte er die Mückenschwärme, die vor ihm aufstiegen und sich auf sein unbedecktes Gesicht und die nackten Arme setzte. Anna schien davon nichts zu spüren, denn wie alle sittsamen Frauen trug sie ein langes Kleid, dessen Ärmel ihr bis an die schmalen Handgelenke gingen. Der feine Stoff schloss ihre Brust bis zum Hals ab, und auf dem Kopf trug sie eine Haube. Nur das Gesicht blieb unbedeckt.
    Als Gwyn am Flussufer stand, sah er sie über einen schmalen Kiesrand schreiten. Sie hatte ihr Kleid bis zu den Knien gerafft, und Gwyn sah ein Paar schöne wohlgeformte Beine. Sie wandte sich um und rief ihm zu: »Kommt, aber bleibt in der Mitte.«
    Er zog sich seine ledernen Schuhe aus, wohl wissend, dass er dann barfüßig heimlaufen musste, denn sein Schuhwerk ließ sich nur am Morgen anziehen. Einmal entblößt, waren die Schuhe zu klein für die gequollenen Füße. Er folgte ihr.
    Das Wasser war angenehm kühl und nicht so kalt, wie er es erst erwartet hatte.
    Sie führte ihn auf eine große Sandbank, die wie eine Insel in der Mitte des Flussarmes lag und dicht bewachsen war. Es gab viele solcher Inseln, und in einigen Jahren würden etliche von ihnen verschwunden sein, fortgerissen vom anschwellenden Fluss. Viele Inseln würden neu entstehen, dann, wenn es nur noch eine Erinnerung an den Sommer und seinem Landshuter Stechen gab.
    Da, wo ihn Anna entlanggeführt hatte, war wohl die einzige Stelle, wo das Wasser nicht tief war. Am Ufer, das hier noch hell im abendlichen Zwielicht lag, hielt Anna an. Den Saum ihres langen Kleides hielt sie noch immer in der Hand.
    »Muss eine Wäscherin

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