Der Goldschmied
seiner großen Kunstfertigkeit. Bislang waren nur wenige alte Meister in der Lage gewesen, so zu arbeiten. Aber Gwyn nahm sich Zeit, bestes Material und das richtige Werkzeug, und schon nach kurzer Zeit vergaß er alles um sich herum. Mit einer unglaublichen Fertigkeit und dabei gleichzeitig schnell und sicher in den Bewegungen schuf er Schalen und Platten, ganze Tischgerätschaften aus feinem Silber. Auch goldene Tafelbecher, eines jener besonders begehrten Stücke für die wohlhabende Bürgertafel, fertigte er an. Seine Becher riefen eine Nachfrage hervor, der das Haus des Lambert kaum mehr nachzukommen vermochte. Gwyn lehrte Jochen, seinen Mitgesellen und Freund, das schnelle und sichere Treiben aus dünnem Blech. Die Feinarbeit musste Gwyn übernehmen. Nur so gelang es ihnen, alle Kundenwünsche zu befriedigen.
Was der englische Faber fertigte, erschien den Betrachtern begehrenswert. Viele Auftraggeber spürten den eigenartigen, fast ein wenig zwingenden Wunsch, ein solches Stück zu besitzen, selbst wenn sich der Interessent dafür verschulden musste. Dabei machte es längst keinen Unterschied mehr, ob es feiner Schmuck, höfischer Zierat oder kostbares Messgeschirr für die vielen Burgkapellen war. Die Auftraggeber waren Angehörige des deutschen Adels von den rheinischen Kaiserpfalzen wie von den vielen Fürstentümern links und rechts des Rheins. Genauso folgten Wünsche von den aufstrebenden Hansestädten an der Nord- und Ostsee, aus dem Königreich Böhmen und Mähren. Dort wurden die Kaufmannsgilden mit dem regen Seehandel wohlhabend, ja gar reich.
So war Geld vorhanden, um sich feine Arbeiten für stolze Bürgerfamilien zu leisten. Meister Lambert war klug genug, seinen neuen Gesellen in allen Dingen großzügig gewähren zu lassen. Die interessantesten Auftragsarbeiten bekam Gwyn zuerst angeboten. Dann konnte er seine Vorschläge dazu machen. Zugleich skizzierte er mit sicherem Strich seine Entwürfe und ließ sie von den anderen Gesellen vervielfältigen. Wohlhabende Augsburger Bürger sammelten solche Skizzen und Zeichnungen, um sie in interessierter Runde von Hand zu Hand gehen zu lassen.
Niemand setzte Punzeisen und Stichel so gleichmäßig und dicht, niemand zwang Metall in so scheinbar leichte und grazile Formen wie der Goldschmied aus der fernen Stadt Bath. Das bereits vorher gut eingeführte und seriöse Geschäft des Meister Lambert erlebte einen unglaublichen Aufschwung. Wer immer es sich leisten konnte, ließ in diesem Hause fertigen. Böse Stimmen der anderen Innungsmitglieder wurden laut. Sie protestierten gegen den verschärften Kampf unter den übrigen Zunftmitgliedern und sprachen von Zauberei, die vor allem nachts in den Werkstätten ausgeübt wurde. Gwyn kümmerte dieses Gerede wenig. Als müsse er all den Kummer seiner Vergangenheit endgültig vergessen, ging er auf in seiner Arbeit, und oft übermannte ihn der Schlaf und nahm ihm sein Werkzeug aus der Hand.
Er war wie besessen. Alles, was neu war, interessierte ihn. Jeden reisenden Goldschmied besuchte er oder lud ihn in die Werkstatt des Lambert ein. So lernte er immer etwas Neues für seine Arbeit. Seine rasche Auffassungsgabe machte es ihm leicht, über Dinge etwas zu erfahren, was seinen Mitmenschen oft unergründlich und geheimnisvoll vorkam.
In bald zehn Tagen sollte in der kleinen Reichsstadt Landshut ein festliches Stechen abgehalten werden. Ein großer dreitägiger Markt sollte den Feierlichkeiten vorausgehen. Menschen aus allen Teilen des Reiches würden feiern, aber auch Geschäfte in der Stadt machen wollen. Meister Lambert beschloss, Gwyn mit einer Auswahl besonders schöner Stücke zu dem großen Ritterturnier zu schicken. Der Rat der Stadt Landshut hatte dem Hause Lambert nach eingehender Prüfung einen Stand zugewiesen. Ein Freibrief, der es dem Augsburger erlauben würde, bis auf höchsten Widerruf seine Arbeiten zu verkaufen. In jener Zeit verboten strenge Gesetze in allen Innungsberufen den freien Handel. Damit schützte jede Handelsstadt ihre eigenen Handwerker. Einen Handelsfreibrief gab es meist nur für große Märkte, und das Pergament galt nur einige Tage. Es war selbst Lambert nicht bekannt, ob diese besondere Genehmigung schon einmal erteilt worden war. Aber er versprach sich nicht nur ein gutes Geschäft von diesem Versuch, viel wichtiger war ihm das Ansehen. Meister Lambert wusste, welch eine Begabung mit dem jungen Carlisle unter seinem Dach lebte und arbeitete. Zudem war es ihm wichtig, dass der so
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