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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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getreten und sah ein wenig verlegen drein. Neugierige Gesichter betrachteten ihn. Die Menge rief sofort laut fragend: »… hat sie ja gesagt?«
    Der Hochzeiter lachte fröhlich und ließ eine Reihe makelloser Zähne blitzen. Schnell stellte er sich in die Mitte zwischen den Mann und die Frau. Er nahm ihre beiden Hände, hielt sie in die Höhe und schrie: »Sie haben jaaaa gesagt!«
    Daraufhin setzte ein Lachen und Klatschen, ein vielstimmiges Rufen ein. Jemand schrie »hurra«, und bald riefen dies alle Umstehenden ebenfalls. So laut, dass es fast die Glocken der Kirche über ihnen übertönte.
    Alles drängte nun zu den beiden Verlobten. Gwyn und Jochen ließen sich beide von der Menge mitreißen. Jeder, der wollte, durfte die beiden, Braut wie Bräutigam, beglückwünschen. Bei dieser Gelegenheit war es gestattet, jedem etwas ins Ohr zu flüstern. War die Braut hübsch, so konnte dieser Brauch eine Weile andauern. Als Gwyn endlich vor Anna stand, schüttelte sie nur den Kopf. Er verstand, er sollte nichts sagen, was ihre Erinnerung an den gestrigen Abend irgendwie zerstören könnte. So verbeugte sich Gwyn vor ihr, küsste seine Fingerspitzen und strich ihr schnell über ihre beiden schmalen Hände, die so gar nicht zu den typischen Händen einer Wäscherin passen wollten. Und sie wusste, was er sagen wollte.
    Dann trat er zu dem Mann. Er war mindestens 50 Jahre alt, und man konnte sehen, dass er sein Leben lang schwer gearbeitet hatte. Er war einfach, aber sehr sauber gekleidet und machte den Eindruck eines braven, ehrsamen Mannes. Gwyn war in diesem Moment ein wenig neidisch. Zweifelsohne war der größte Schatz, den dieser Mann bekam, jene Frau neben ihm. Und aus einer plötzlichen Regung heraus trat Gwyn nahe vor ihn hin, ergriff seine Hand und schüttelte sie herzlich.
    »Alles Glück, Herr. Dies wünsch ich Euch.«
    Der Mann nickte freundlich. Da trat Gwyn noch einen Schritt näher an ihn heran, beugte sich vor, bis er das Ohr des Mannes fast erreicht hatte, und flüsterte besonders freundlich: »Ignaz, solltet Ihr dieser Frau je ein Leid zufügen, dann sorgt wohl besser dafür, dass ich’s nie erfahr. Denn ich bin ihr Ritter, und als solcher dien ich ihr.«
    Er trat zurück, ließ den verdutzten Mann stehen, wandte sich um und bahnte sich einen Weg zurück durch die Umstehenden. Jochen stand noch immer stumm da. Er hatte sich wieder hinten angestellt. Als er Gwyn erkannte, begann er plötzlich zu sprechen.
    »Herr Carlisle«, sagte er feierlich, als Gwyn wieder vor ihm stand.
    Die beiden Faber sahen sich einen Moment lang in die Augen, und Gwyn wusste, was der Gefährte ihm sagen wollte. Er hatte sich entschieden.
    »Herz oder Verstand?«, fragte Gwyn.
    »Herz, Herr Carlisle, Herz«, antwortete Jochen und grinste.
    Da umarmte ihn Gwyn. Dann machte sich Jochen frei und bahnte sich noch einmal den Weg durch die Menge hin zu dem Mann, der jedes neue Paar ankündigte, wenn dieses sich verloben wollte.
    ***
    Gwyn lernte in diesen Tagen zudem viel über das Wesen der deutschen Ritter. Brauch und Sitte waren ganz ähnlich und doch in den Feinheiten oft ein wenig anders als in seiner Heimat. Jeder Lehnsherr, und war sein Lehen noch so klein, umgab sich mit einer Schar Kämpfer, die in den Farben des Hauses als Begleitung auftraten. Jeder Mann von Adel sonnte sich in dem Glanz und dem prächtigen Auftritt, der solch einen Tross umgab. Nie zuvor hatte Gwyn so kunstvolle Rüstungen, so viele edle, wertvolle Pferde, allesamt geschmückt und aufs feinste gezäumt, so viel stolz gezeigte Pracht gesehen. Und die Stadt füllte sich Tag für Tag mit neuen Ankömmlingen. Bis aus den entferntest liegenden Gauen der Kaiserpfalzen am Rhein waren Streiter gekommen. Vor der Stadt war ein Heerlager entstanden, größer und größer werdend mit jedem Tag.
    Gemeinsam mit vielen anderen Menschen zog es Gwyn und Jochen nach dem Markt, jeden späten Nachmittag, hinaus auf das bunte Heerlager draußen vor den Stadtwällen. Er achtete darauf, seine Kleidung sorgsam und sauber zu halten und sich vor seinem Gegenüber immer zu verbeugen. Hier sprach man einen Mann immer mit seinem Stand an. Dies war so Sitte. Cornelius van Brunschwigg hatte ihm erzählt, dass den Menschen nichts so sehr schmeichelt, wenn sie aus fremdem Munde auf Namen und Stand angesprochen wurden. Viel Volk war an diesem frühen Sonntag bereits auf den Beinen. Eine große Menschenmasse folgte dem Glockenläuten zur Messe, die im Dom zu Landshut abgehalten wurde. Danach

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