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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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    Allmählich verstummte der Lärm der vielen Menschen. Jeder wartete auf den Beginn des Stechens.
    Die Reiter legten noch einmal letzte Hand an ihre Waffen, zerrten an den Schwertgehängen, drehten die Beine in den engen Beinschienen, rückten ein letztes Mal die Lederriemen der Brustpanzer zurecht.
    Es klirrte und rasselte metallisch, wenn die ganz in Eisen gehüllten Männer noch einmal ihre Glieder streckten. Einige ließen die Arme kreisen, bevor sie die schweren Turnierwaffen zur Hand nahmen. Weder die langen Turnierlanzen noch die kurzen Jagd- oder Kriegsspieße waren zu diesem Gang zugelassen. Nur eine ausgewählte Handwaffe pro Reiter war erlaubt.
    Die letzten Knechte verließen jetzt eilig den Platz. Das Gemurmel der Menge verstummte, und alle Augen richteten sich auf die hölzerne Ehrentribüne. Neben die Fürsten zu Landshut trat ein Mann in mittlerem Alter. Als besonderes Zeichen seiner Würde trug er eine schwarze Kappe auf dem Kopf. Dies war der Seneschall des Fürsten, wie Gwyn aus dem Geflüster ringsum erfuhr. Laut begann der Mann, zu der wartenden Menschenmenge zu sprechen.
    »Höret, höret, höret!
    Edle Männer, edle Frauen!
    Höret, Volk, Bürger der Stadt,
    und auch Ihr, Gäste,
    die Ihr von weit her gekommen seid,
    zu diesem Stechen.
    Lasst uns sehen den ersten Waffengang.
    Bedenket, ihr Streiter,
    gerecht und barmherzig sei Gang um Gang.
    Dem Sieger winkt ein prächtig Schwert,
    welches Berthold, der Schmied,
    einzig geschmiedet hierfür als Preis.
    Die Ritter wagen Ehr und Leben für Euch zur Freud.
    Gott der Herr segne unseren Fürsten und seine Gemahlin,
    Seine kaiserliche Majestät und all jene edlen Streiter hier.«
    Bei diesem Schlusswort begann die Menge, laut zu jubeln. Die wartenden Reiter hatten erneut alle Hände voll zu tun, die unruhigen Pferde auf ihren Plätzen zu halten. Aber wie ein Wunder ging keines der Tiere durch.
    Gwyn fühlte sein Herz bis zum Hals schlagen. Er genoss diesen so einmaligen Moment. Es schien ihm alles unwirklich, wie in einem Traum, und doch sah und hörte, roch und fühlte er alles ganz klar: die bunten Standarten, die im leichten Sommerwind flatterten, die warme Sonne, die all den Farben ein besonderes Leuchten zu geben schien, das Klirren von Metall, das Knarren des Leders, wenn eines der Pferde noch einmal seinen Kopf heftig bewegte, der Geruch nach Menschen und Pferden, nach Erde und Gras, nach Schweiß und Holzfeuer.
    Ein Hornsignal ertönte.
    Die Menge schwieg. Der Fürst erhob sich. Er trug ein purpurrotes Wams. Diese Farbe war nur den Mächtigen vorbehalten. Niemand sonst durfte sich damit kleiden.
    In seiner Hand hielt er ein langes, weißes Tuch. Er hob es hoch, so, dass jedermann es sehen konnte. Dann schwenkte er es langsam in alle Richtungen, hielt es still und ließ es plötzlich fallen.
    Damit begann das Stechen …
    Mit lautem Geschrei trieben die Ritter ihre schweren Turnierpferde an. Die Reiter hieben den Tieren die langen, eisernen Dornen, welche sie wie Sporen am Knöchel befestigt, in die Seiten. So setzten die Pferde los, mit weit ausholenden Schritten, die gar nicht recht zu den schweren Tieren passen wollten. Begleitet von den anfeuernden Rufen der fiebernden Menge, galoppierten die beiden Reitergruppen, blau und weiß, aufeinander zu. In der Mitte des Feldes trafen sie aufeinander. Der Zusammenprall der 100 Streiter verwandelte den Platz in wenigen Augenblicken in eine Wolke voller Staub und aufwirbelndem Schmutz, in dem kaum mehr eine Gestalt auszumachen war. Gwyn erkannte nur ein paar wenige Farbfetzen. Einige Male konnte er das kurze, metallische Aufblitzen der Waffen und Rüstungen im Sonnenlicht sehen. Dazu ertönte ein ohrenbetäubendes Gebrüll der Kämpfer und die Anfeuerungsrufe der Zuschauer, vermischt mit dem hellen Wiehern der Pferde.
    Ringsum an der hölzernen Absperrung hatten sich Knappen und Pferdeknechte versammelt. Ungeduldig warteten sie darauf, dass der Turnierrichter nach dieser ersten Attacke den Platz freigab. Aber noch war das Getümmel der kämpfenden Reiter und durcheinanderdrängenden Pferde zu groß. So warteten sie, bis sich auch der Staub etwas legen würde. Dann erst konnten sie sehen, ob der Reiter ihrer Farbe, ihres Hauses, ihr Herr noch im Sattel saß oder ob er schon zu Fuß weiterfocht. Denn beide Arten zu kämpfen waren erlaubt. Nur Ritter, die unbeweglich auf dem Platz lagen, durften geborgen werden.
    Ein langes Hornsignal ertönte.
    Die beiden Gruppen trennten sich. Von einem

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