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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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strömte die Menge auf den Anger unten am Fluss. Dort sollte das Stechen stattfinden, als Auftakt und einer der vielen Höhepunkte in einer Reihe von Festlichkeiten. Seit Tagen hatten die Ritter und solche, die diese Ehre noch erstrebten, um Aufnahme in das Heer der Kämpfer gebeten.
    Gwyn hatte als Kind das letzte Stechen gesehen.
    In London, zu Ehren und Gedenken des zehnten Jahrestages vom Kreuzzug des Normannen Otranto. Große Stechen gab es in Britannien zu jener Zeit nicht oft. Das Land war in solch zahllose Händel verwickelt, dass für einen ehrenvollen Waffengang kaum Gelegenheit war. Kaum jemand kämpfte in seiner Heimat einen Waffengang, nur um Mut und Können in einem Wettstreit zu zeigen. Darum war Gwyn auf die folgenden Darbietungen besonders neugierig. Eine Woche sollte es dauern, bis dieses Turnier mit einer feierlichen Messe am nächsten Sonntag zu Ende gehen würde.
    Jochen hatte einen guten Stehplatz hinter der Absperrung gefunden und hielt ihn mit Ellbogen und nachdrücklichem Schieben nach allen Seiten frei. Direkt vor einem niedrigen Zaun hatten sie beide freien Blick auf ein großes Geviert in den Maßen von etwa 200 Schritten in der Länge und etwa 150 Schritten in der Breite. Auf einer hölzernen Tribüne, wo ein heller Baldachin die stärkste Sonne abhielt, trafen nun nacheinander Vertreter des Adels, der Kirche und weitere hohe Würdenträger der Deutschen Reichskrone ein. Sogar der Bischof von und zu Ulm, ein weiser Patriarch, den auch das einfache Volk schätzte, kam als Besucher und ließ sich in der vorderen Reihe nieder. Die wartende Menge begrüßte jeden der hohen Gäste mit Jubelrufen und lautem Geschrei.
    Währenddessen trafen Dutzende von prächtig gekleideten Reitern am Rande des Platzes ein. Ritter, die mächtige Topfhelme oder die kleineren Helme trugen, so wie sie bei den Kämpfen im Heiligen Land verwandt wurden. Gwyn entdeckte auch Männer, die das große Kreuz auf Kleidung und Rüstung führten, Angehörige des geschätzten Templerordens. Einige trugen die schweren Reiterrüstungen, welche die Bewegungen ihrer Träger langsam und schwerfällig machten. Manche waren nach Art der Kreuzritter gekleidet: Kettenhemden aus fein geschmiedeten Eisenringen und darüber wallender Stoff oder ein festes Lederwams. Dazu eine Vielzahl an Waffen: Streitäxte, wie sie die Ritter aus dem Norden gewohnt waren, Kriegskeulen, mit mächtigen Metallnägeln gespickt, Morgensterne, so wie sie die Mauren schon seit mehr als 100 Jahren in all ihren Feldzügen benutzten, dazu Schwerter in den vielfältigsten Ausführungen.
    War doch keine Waffe so auf seinen Nutzer abgestimmt. Das Schwert war die persönliche Waffe jedes Edlen. Nur ein Ritter durfte die mehr als armlange Klinge führen. Griff, Handschutz, Gewicht und letztendlich auch der Wert waren wie ein Brief seines jeweiligen Besitzers. Jeder, der Kenntnis genug hatte und genau beobachten konnte, wusste beim Anblick der Waffe etwas über den Besitzer. Da waren Ritter, mit schwerem Bidhänder, fast mannsgroßen schlanken Klingen, die der Kämpfer beidhändig führte. Die kürzeren Reiterschwerter, die einhändig länger ohne Ermüdung geführt werden konnten, waren in der Überzahl und galten allgemein auch als sehr beliebt. Die breiteren Turnierschwerter, scharf genug, einen Harnisch zu spalten, und genügend schwer, um auch als Schlagwaffe noch gefährlich zu sein.
    Ein Großteil der Reiter saß bereits zu Pferde, andere ließen sich von Knechten und Knappen in die Sättel helfen. Alle Tiere hatten schwer zu tragen. Trotzdem waren die meisten Pferde voll nerviger Ungeduld. Die Unruhe, das vieltausendfache Rufen und Schreien der aufgeregten, wartenden Menge, der laute metallische Lärm ringsumher beunruhigten die Tiere. Oft mussten bis zu vier Knechte ein solch fahriges Pferd festhalten, damit der Reiter Zeit hatte, die letzten Teile seiner Ausrüstung in Ruhe anzuziehen. Knappen hielten Handwaffe und Schild, die Waffen, die alle Reiter tragen mussten. Es wurden lederne Eimer und Tonkrüge gereicht, denn inzwischen war es heiß geworden. So konnten die Herren sich noch erfrischen. Die Pferde ließ man nur wenig saufen, denn jeder tiefe Zug Wasser war ein Mehr an Gewicht.
    Derweil schienen die Wartenden sehr genau Bescheid zu wissen. Zumindest kam Gwyn dies vor, während er sich eifrig bemühte, die oft unterschiedlichen Redeweisen aus den verschiedenen Landesteilen zu verstehen.
    »Seht doch, Rudolf von Drachenfels! Da … da, er reitet ein

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