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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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der Schenke zu einem Umtrunk ein. Stolz schritt er von Tisch zu Tisch und schenkte jedem Gast Bier ein. Dabei erzählte er jedem von Gwyns Talent. Zum Schluss rief jeder Gast und jeder Tisch einen Trinkspruch auf den jungen Goldschmied aus. Bald wurden die Stimmen lauter und lauter, und weitere, unzählige Toasts wurden auf den frisch gekürten Gesellen ausgerufen. Dazu wurde Runde um Runde getrunken. Gwyn bemühte sich, nüchtern zu bleiben. Er wollte noch seine Reise nach Bath vorbereiten. Aber er würde London auf keinen Fall verlassen, ohne noch einmal an den Ort unweit der Themse zurückzukehren, wo er eine so glückliche Zeit verbracht hatte. Eldrige hatte ihm angeboten, so lange unter seinem Dach zu wohnen, wie es ihm beliebte. Aber Gwyn wollte fort.
    So schlich er sich aus der lauten Schenke fort, nach nebenan in die Kammer, wo er die vielen Tage bis zu seiner Genesung verbracht hatte. Er setzte sich auf seinen Strohsack und schnürte sein kleines Reisebündel. Da trat Amah, Eldriges Frau, ein. Zumindest behauptete der Veteran immer, sie einst im Heidenland geheiratet zu haben. Ein zyprischer Mönch hätte sie getraut. Leider sei der fromme Mann bald darauf am Fieber gestorben … So gab es keinen Beweis für die Vermählung der beiden. Aber das war auch einerlei, denn jedermann wusste, die dunkelhäutige, stumme Frau war die Gefährtin des Kreuzfahrers. Gwyn war sie immer wie ein Geist vorgekommen. Sie gab nie einen Laut von sich, und er hatte die Frau in all den Jahren nie lachen oder weinen sehen. Eldrige hatte ihm erzählt, wie sie ihn gepflegt hatte, als er nach seinem Schlag auf den Kopf so lange bewusstlos lag. Amah wirkte oftmals ein wenig verwirrt. Ihre Kleidung war schäbig. Sie hatte längst keinen Zahn mehr im Mund. Nur ihr pechschwarzes Haar war gepflegt und glänzte mit einem seidigen Schimmer. Ihr Alter ließ sich nur schwer schätzen.
    Auf einmal lächelte Amah den Jungen an. Es lag ein seltsamer Anflug von Stolz und Zärtlichkeit darin. Gwyn war überrascht, und er lächelte zurück. Sie trat langsam auf ihn zu und strich ihm mit den Fingerspitzen sanft über seine Wange. Dabei kramte sie etwas umständlich in ihrem Schurz. Dann kniete sie vor ihm nieder und drückte ihm etwas in die Hand. Dabei strich sie ihm erneut ganz sanft über seine Wange und gluckste dabei vergnügt vor sich hin. Plötzlich sprang sie auf und verschwand hastig durch die Hintertüre.
    Erst nach einer Weile öffnete Gwyn seine Hand, neugierig, was ihm die Frau da wohl gegeben hatte. Es war eine kleine silberne Haarspange. Sie schien sehr alt zu sein und war wohl einst für ein junges Mädchen aus wohlhabendem Hause gemacht. Für Amah aber war es sicherlich ein besonderer Besitz.
    Als Eldrige hereinkam, war er verschwitzt und aufgekratzt wie lange nicht mehr. Jedoch, er wirkte keineswegs betrunken. Eldrige konnte unglaubliche Mengen trinken. Dabei war es einerlei, ob es sich um Bier, frischen Honigwein oder wallisischen Met handelte. Scheinbar hatte es nicht die geringste Auswirkung auf sein Gemüt. Immer war er der laute, polternde Bär gewesen, so wie Gwyn ihn all die Jahre kannte.
    »Ha, Söhnchen«, lärmte er fröhlich, »jetzt bist du ein gemachter Mann. Hast ein Siegel der Zehn. Geht’s nun auf Wanderschaft?«
    Gwyn nickte und betrachtete die Spange in seiner Hand.
    »Teufel, was hast du da?«, fragte der Riese neugierig.
    Gwyn zögerte einen Moment. Dann erzählte er Eldrige von diesem persönlichen Geschenk.
    »Du hast’s von Amah? Diese Närrin! Sie hat’s dir geschenkt?«
    »So denk ich wohl.«
    »Dummes Weib. Das einzig’ Stück, was sie nie hergeben würd’.«
    »Es ist eine Fibel, wohl aus Silber. Woher stammt sie?«, fragte der Junge.
    Eldrige furzte geräuschvoll und grunzte dazu wohlig. »Von mir, Söhnchen, von mir hat sie es. Aber ich gab’s ihr nicht als Geschenk. Es war eher ein Handel.« Er lachte grimmig.
    »Ein Handel?«
    »Ist eine alte Geschichte.« Eldrige trat in eine Ecke der Kammer. Er goss sich einen Krug voll Wasser über seinen breiten Schädel. Dann schüttelte er den Kopf wie ein Hund nach dem Bad. »Es ist Jahre her. Der Krieg im Heiligen Land. Glühend heiß die Tage dort und kein Schatten weit und breit. In einem weiten Tal lag die erste Stadt voller Heiden. Antiochia!«
    Eldrige zog sich einen Schemel heran und ließ sich darauf nieder. Er ergriff einen Kanten Brot. Mit einer Geste bot er Gwyn davon an, aber der schüttelte nur den Kopf. Da biss der Mann ein großes Stück ab

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