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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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geschieht kein Schaden. Denn Gold ist das edelste aller Metalle, und Säure vermag es nicht zu treffen.«
    So stellten sie ihm weiter Frage über Frage.
    Gwyn musste erklären, welch ein Unterschied war zwischen Punzen und Ziselieren. Beides musste er an einem Tisch vorführen. Er referierte, so gut er es wusste, über das Strecken und Ausspannen von Goldblechen. Er erläuterte das Glasschmelzen und das Ätzen mit Schwefelsäure und Rinderharn. Er musste Königswasser mischen. Er erzählte alles, was er über das byzantinische Zellenschmelzen wusste, eine Technik, die schon römische Goldschmiede kannten, die aber jetzt erst in diesen Tagen wieder häufiger angewandt wurde. Ganz genau schilderte er die Anwendung der verschiedenen Techniken des Zusammenfügens: Löten, Nieten, Verstiften, Anfalzen, Schrauben. Ein Prüfer legte ihm ein Buch mit den wichtigsten Prägemarken der abendländischen Vereinigungen vor, und Gwyn konnte alle benennen.
    Es waren inzwischen mehr als zwei Stunden vergangen. Ein Page brachte ihm einen Becher voll Wasser. Es war angenehm kühl. Gwyn fühlte sich jedoch nicht müde. Er sprach über das, was ihn erfüllte und was er liebte: das Handwerk!
    Die letzte Frage stellte der Speaker der Vereinigung.
    »Sag uns, woher stammt die schwarze Perle, welche größer und begehrter ist als jene bekannte in weißer Farb’?«
    Auf einmal zögerte Gwyn. Eine scheinbar einfache Frage. Wohl ein wenig gar zu einfach für diese Runde. Sein Meister hatte ihm über Perlen viel erzählt. Schwarze Perlen, welche nicht wirklich schwarz, sondern eher dunkelblau oder dunkelrot, ja sogar von tiefgrüner Farbe waren. Überaus selten, galten diese Perlen seit römischer Zeit als einzigartige Kostbarkeit. Gwyn selbst hatte nur einmal ein kleines, eher minderes Exemplar gesehen. Und da waren ja noch die Perlen gewesen, welche als zwölf Apostel ein besonders feines Beispiel für ungewöhnlich schöne und seltene Perlen waren.
    »Schwarze Perlen, ihr edlen Herren, stammen aus dem Reich der Türken. Auch Griechen und Römer handeln mit ihnen, seit alter Zeit …« Gwyn stockte in seiner Antwort.
    »Sprich weiter!«
    »Alle Perlen sind die Frucht des Meeres. Wachsen in der Muschel, Perlmuscheln, die wir Auster nennen …«
    »Es ist so, wie du sagst. Aber diese Perlen sind weiß«, unterbrach der Frager.
    »Ja, Sir …«, antwortete Gwyn. Er überlegte angestrengt. Einerseits wusste er die Antwort ganz genau. Peter Fallen hatte ihm gesagt, was der Ursprung solcher Kostbarkeiten war. Aber er hatte ihm augenzwinkernd zwei Varianten erklärt. Einmal jene, welche überliefert schien von alters her. Die andere Variante war jene, wie Fallen sie in seinem bewegten Leben als reisender Faber aurifex kennengelernt hatte. So beschloss Gwyn, diese Erklärung zu wählen.
    »Schwarze Perlen entstehen in den Muschelschalen genauso wie die weißen Stücke. Aber es liegt an besonderen Umständen, die Perle schwarz statt weiß werden zu lassen. Umstände, welche von vielerlei Gestalt.«
    Gwyn fühlte keinerlei Müdigkeit und holte Luft, genug, um seinen Worten mit lauter und klarer Stimme noch mehr Nachdruck zu verleihen. Der Rat der Zehn dagegen war unruhig geworden. Die Männer hatten sich nach vorne gebeugt und sahen Gwyn an, so als ob sie nicht glauben könnten, dass der junge Lehrling noch immer sprach.
    »Wie ein Wunder wären da einmal …«, begann Gwyn und wollte fortfahren.
    »Genug!«, rief der Fragesteller plötzlich streng. Gwyn sah, wie aufgebracht der Mann mit einem Mal war. Die Übrigen murmelten nun leise untereinander und blickten eher missbilligend auf Gwyn. Er ahnte, dass er sich auf gefährlichen Boden begeben hatte. Der aufgeklärte, wissensdurstige Geist des Peter Fallen war den frommen und traditionellen Geistern dieser Vereinigung wohl doch ein Stück zu weit voraus.
    Der Sprecher wies auf Gwyn. »Was du sagst, ist Gott lästern! Jedes Ding ist nur vom Allmächtigen gemacht. Dies ist eine göttliche Ordnung, der wir Menschen uns fromm fügen. Besondere Umstände! Wer hörte je davon? Das hieße doch, der Allmächtige erlaube Müßiggang. Es gibt nur eine einzig’ Ordnung, und die ist jene, wie Gott der Herr sie wünscht. Alles andere zu behaupten, wäre Frevel und von schwerer Sünde!«
    Gwyn sah dem Sprecher ins Gesicht und beeilte sich, es richtigzustellen. »Verzeiht, Ihr Herren. Es war unrecht von mir. Wohl ist es so, wie Ihr sagt. Der Allmächtige, er alleine ist es, der alles werden lässt, wie es

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