Der Goldschmied
befragen. Glaubt Ihr, auf die Fragen der Zehn antworten zu können?«
Die Fragen der Zehn!
Gwyns Herz begann, heftig zu schlagen. Jene Prüfung, die allein entschied, ob man als Geselle in die Innung aufgenommen wurde. Es kam überraschend und unvorbereitet. Sehr wohl hatte ihm sein Meister manchmal von dieser Prüfung erzählt. Auch davon, dass der Rat ihn nichts fragen würde, was ein Goldschmied nicht ohnehin als ständiges Wissen in Gedanken bei sich trug.
»Ich werde die Fragen der Zehn beantworten«, versprach Gwyn feierlich.
»Das ist gut, junger Freund. Antwortet nur auf Ehr und Gewissen. Redet keinesfalls, wenn man Euch nicht befragt. Dies schickt sich nicht.«
Gwyn nickte zum Einverständnis. Pyle machte auf ihn nicht den Eindruck eines Prüfers. Eher wie jemand, der sich sorgt und noch nützliche Ratschläge mit auf den Weg gibt.
»Wann, geehrter Master Pyle, soll die Befragung sein?«
»Der Rat ist anwesend. Wenn ihr Euch Eurer Sache sicher seid … sogleich.«
Beim heiligen Elegius!
Sie wollten ihn hier und jetzt, sofort prüfen!
Dies ging ihm doch zu schnell. Hatte er doch noch nicht einmal sein Gesellenstück gefertigt. Er spürte, wie es ihm ein wenig schwindlig wurde.
»Ist Euch wohl, mein Sohn?«, fragte Pyle freundlich.
»Nur etwas bang, Master …«
Der Goldschmiedemeister lächelte, und er fasste Gwyn behutsam an der Schulter. »Seid unbesorgt. Euch eilt ein großer Ruf voraus. Kommt jetzt. Der Rat ist versammelt.« Pyle ging die wenigen Schritte bis zur Tür und klopfte dreimal laut. Wieder öffnete ein Page und ließ beide ein.
Auch dieser große Raum war prächtig ausgestattet. An einer der Längsseiten waren nebeneinander zehn Sessel aufgereiht. Auf neun dieser Plätze saß je ein Mann. Ein jeder war Meister in der Zunft der Gold- und Zirkelschmiede. Alle waren ähnlich wie Pyle gekleidet. Nur waren diese übrigen Männer viel älter.
Dies war der Rat der Zehn.
Gwyn spürte, wie aufgeregt er war.
Master Pyle trat vor die Versammlung hin und begann zu sprechen.
»Ihr Brüder des heiligen Elegius. Hier bringe ich Gwyn Carlisle, Lehrling und Schüler des seligen Peter Fallen, Faber aurifex zu London und Meister seines Standes.« Nach diesen Worten nahm er selbst Platz auf dem letzten, freien Stuhl.
»Höret, höret, höret!«, hub einer der Männer, wohl der Vorsitzende der Versammlung, zu sprechen an.
»Gwyn Carlisle! Wir ehren den seligen Peter Fallen. Er sei Mitglied unserer Zunft in alle Ewigkeit. Wir werden sein Andenken bewahren.«
Alle Anwesenden senkten stumm die Köpfe und bekreuzigten sich. Erst nach einer Weile sprach der alte Meister erneut.
»Wir wollen dich prüfen. Bist du bereit?«
»Jawohl, Sir«, antwortete Gwyn. Er begann, heftig zu schwitzen.
»Du bist noch ein Lehrling. Dein Meister zeigte uns einst den Kelch der Zwölf Apostel. Ein Auftrag für die frommen Brüder von Dorchester. Unter Eid versicherte unser Bruder, dass du allein dies geschaffen. Eine prächtige Arbeit. Sie sei ein Beispiel für die Kunstfertigkeit unseres Standes, und …«
Der Mann machte eine Pause, bevor er weiter erklärte: »… einstimmig angenommen als jener Teil der Ernennung zum Gesellen!«
Bei diesen Worten nickten die übrigen Herren des Rates mit den Köpfen. Der Rat hatte den Kelch als Prüfungsarbeit angenommen! Somit war bereits ein Teil vollbracht.
»Gwyn Carlisle, wir wollen dich befragen. Antworte nach bestem Wissen. Verschweige nichts und füg nichts hinzu, was unwahr und nicht gerecht ist im Angesicht des Herrn und der Würde dieses Rates«, meinte der Sprecher weiter.
»Ja, Sir, so sei es wohl«, antwortete Gwyn.
»Jeder der Brüder stellt eine Frage. Es sind damit ihrer zehn. Du musst jede beantworten. Dann entscheiden wir über deine Lossprechung.«
»Ja, Sir, so sei es wohl.«
Einmal glaubte Gwyn im Gesicht von Master Pyle ein beruhigendes Nicken zu erkennen.
Der Sprecher setzte sich und nickte dem ersten Meister in der Reihe zu. Dann hörte Gwyn die erste Frage.
»Um Gold von Eisen zu trennen, sag uns, in wievielerlei Art dies wohl möglich sei.«
Gwyn überlegte sorgfältig. Keine schwere Frage, aber nicht ganz einfach, diese alten Methoden zu beschreiben.
»Der Faber trennt nach römischer Art, mit Quecksilber und mit Blei. Nach englischer Art, welche ähnlich ist, nur dass die Teile von Blei und Quecksilber nicht zusammenkommen dürfen. Taucht man das Eisen in eine Säure, die wohl scharf ist, dann frisst sie auf das Eisen, und dem Gold
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