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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Stattdessen führte der Weg durch die dichten Wälder, die erst wenige Meilen vor Bath wieder lichter wurden. So hatte man es dem Goldschmied mehrere Male übereinstimmend berichtet. Aber der Wald war so recht nach Gwyns Vorstellung. Es roch angenehm nach Farn und frischen Kräutern, nach Tau und Moos. Und das Summen der wilden Bienen, das bunte Gezwitscher der vielen Vögel, die kurzen Rufe der Eichhörnchen waren alles Geräusche, die ihm wie eine liebliche Melodie vorkamen. Der weiche Boden schwang bei jedem Schritt, und so konnte er stundenlang wandern, ohne müde zu werden. Oft blieb er stehen, um Hirschrudel zu beobachten, welche ohne Scheu aus dem Unterholz traten. Dann musterten sich Tier und Mensch eine ganze Weile. Nur vor den schwarzen Wildschweinen hatte Gwyn Respekt. Wenn eine solche Rotte ganz nah durch das Holz brach, blieb er lieber stehen und wagte kaum zu atmen. Ein misstrauischer Keiler war ein gefürchteter Gegner. Und Gwyn besaß nicht einmal ein Messer. Nach der zweiten Begegnung mit solch einer Schwarzkittelfamilie spannte er die Sehne seines Bogens. So fühlte er sich ein wenig sicherer.
    Der Wald wurde von Stunde zu Stunde immer dichter und dunkler. Gwyn suchte immer wieder nach kleinen Lichtungen. Manchmal hatten Stürme ein paar Bäume umgeknickt, und der Blick in den Himmel war leicht. Anhand der Sonne konnte Gwyn seine ungefähre Reiserichtung bestimmen. Trotzdem hoffte er, bald auf einen breiteren Weg zu treffen.
    Ein wenig in Gedanken, raschelte es plötzlich laut vor ihm im Gebüsch. Gwyn umklammerte seinen Bogen fester und tastete nach einem Pfeil. Sicherlich waren es erneut Wildschweine auf ihrem Weg in die warmen Schlammsuhlen. Da teilte sich das Gebüsch vor ihm plötzlich. Ein Mann trat auf den Weg hinaus. Er stand mit dem Rücken zu Gwyn und bemerkte ihn deshalb nicht. Der Fremde nestelte an seiner Kleidung herum. Wohl hatte er sich soeben im Wald erleichtert.
    »Gott auf all Euren Wegen, Sir!«, grüßte Gwyn höflich.
    Der Mann fuhr erschrocken herum.
    Er starrte den Goldschmied an, als sei dieser ein Waldgeist. Bei diesem Anblick musste Gwyn laut lachen. Die erschrockene Miene des anderen verklärte sich ein wenig. Er blickte nun eher misstrauisch drein. Gwyn aber konnte mit dem Lachen gar nicht mehr aufhören. Nun wurde der Mann sichtlich verlegen.
    »Ich grüße Euch auch, junger Freund«, entgegnete er höflich.
    Gwyn hielt sich die Hand vor den Mund, war es doch unhöflich, in Gegenwart eines Älteren grundlos zu lachen. Beide Wanderer betrachteten sich einen Moment lang schweigend. Gwyn bemerkte die lange, schwarze Robe, die den Mann bis fast zum Boden bekleidete. Über einer Schulter hing ein großer Reisesack. Der schien schwer zu sein. Das Gesicht war ziemlich mager und fast verdeckt von einem langen, grauen Bart. Aber seine Augen blickten freundlich.
    Der unbekannte Wanderer musterte Gwyn genauso aufmerksam. Er bemerkte den Bogen, ansonsten jedoch keinerlei Waffen. Ein Wilderer konnte der Junge nicht sein. Eher ein fürstlicher Jagdknecht. Aber solche führten eigentlich keinen Bogen. Dies war ein Privileg, das einem Knecht nur selten zustand.
    »Verzeiht mir, aber ich habe mich ein wenig erschreckt«, erklärte der Ältere mit angenehm sanfter Stimme.
    Gwyn lauschte den Worten. Die Sprache des anderen klang etwas fremd.
    »Tat’s nicht mit Vorsatz, Sir!«, antwortete Gwyn höflich. »Aber sagt, wohin des Wegs?«
    »Ich komme aus Leeds und möchte nach Stratford. Dort ist eine Universität gegründet worden. Da möcht ich hin. Vielleicht erhalte ich Stellung als Lehrer. Man heißt mich Cornelius van Brunschwigg.«
    Gwyn verbeugte sich und stellte sich ebenfalls vor. »Ich will nach Bath. Auch ich suche eine Stellung. Vielleicht wollen wir ein wenig zusammen gehen, wenn Ihr erlaubt …«
    Cornelius nickte einladend und rückte seinen Sack auf dem Rücken zurück.
    »Ihr tragt einen Bogen. Aber Ihr seht nicht aus wie ein Jäger!«, fragte er, mit einem wissenden Blick auf die prächtige Waffe.
    »Oh nein, Sir! Ich bin ein Faber. Aber seid versichert, sei es notwendig, vermag ich meinen hölzernen Kameraden wohl zu nutzen.«
    Der Gelehrte lächelte und schritt neben Gwyn. Schon bald waren sie in ein Gespräch vertieft.
    »Master, Ihr seid kein Brite, nicht wahr?«, fragte Gwyn neugierig.
    »Nein, ich bin Flame. Meine Heimatstadt ist Lüttich. Dort habe ich die Jurisprudenz und Alchemie, Astronomie und ein wenig Mathematik studiert. In Bologna hörte ich kanonisches

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