Der Goldschmied
Krieg kommt. Dann werden wir die Kathedrale nicht weiterbauen können. Dies aber ist mein Wunsch, mein sehnlichster Wunsch.«
Borden blickte auf seine Frau, die den Kopf gesenkt hatte.
»Wir geben nicht einen Fußbreit nach!«, schrie er plötzlich. »Soll sich der Bastard einen blutig Kopf holen. Spüren soll er, wie Bath sich verteidigen kann und es tun wird, sollte auch nur einer seiner Knechte einen Stein schleudern.«
Gwyn erschrak angesichts des zornigen Ausbruchs. Krieg der Lehnsherren gegen ihre eigenen Untertanen! Dies bedeutete Verwüstung ganzer Landstriche, Raub, Plünderung und Schrecken. Darauf folgten immer Seuchen und Hungersnöte. Schon Meister Fallen hatte ihn vor der ständigen Unvernunft der Kriegsherren gewarnt.
»Ist Herr de Guilbert nicht ein Vasall des Königs?«, fragte Gwyn vorsichtig.
»Ja, wohl ist er das«, brummte Borden.
»Wir sandten eine Botschaft an Heinrich. Aber der will keine Partei ergreifen. Sagt, es gibt nur Unruhe unter seinen Earls. Die Antwort haben wir wohl:
Bath ist ein Kind der Krone.
Eine freie Stadt mit Rechten.
Wollt diese ihr behalten, so verteidigt sie.
Dies ist eine Sach’, die Heinrich nicht interessiert.«
Aufmerksam hatte Gwyn zugehört. Es war nicht üblich, dass das Volk über Entscheidungen des Magistrates oder gar der Krone wusste.
Auf einmal sprach Bordens Frau. »Lieber Mann. Vielleicht ist Vermittlung jetzt vonnöten. Noch ist Zeit. Noch kann eine blühend’ Stadt vor Not und Elend sich bewahren.«
»Schweigt, Weib, auf der Stelle!«, fuhr Borden sie an. »Nie und nimmer wird der Rat sich beugen vor diesem Ketzer.«
Nach diesen Worten stand er auf, sichtlich wütend und nicht mehr bereit, weiter über das Thema zu sprechen. Er ging mit schweren Schritten hinaus. Schweigend saßen Gwyn und Bordens Frau eine Weile da. Gwyn starrte auf seinen Becher. Der so plötzliche Aufbruch des Hausherrn hatte ihn seltsam verlegen gemacht. Als er aufsah, lächelte ihn Lady Borden an. In diesem Moment wusste er, dass er das erste Mal in seinem Leben etwas wirklich besitzen wollte, gleich zu welchem Preis: Randolph Bordens Frau.
***
Gwyn lernte vom ersten Tag an den ganz eigenen Ablauf des großen und reichen Bürgerhauses kennen.
Das Wecken am Morgen, der Beginn jedes Arbeitstages und das Ende am späten Abend war genau festgelegten Regeln unterworfen, denen sich jeder im Hause fügte. Dieses Haus beherbergte eine ganze Reihe von Dienern und Knechten. Sie wohnten alle in einem eigenen Teil des mächtigen Anwesens. Außer Gwyn wohnte derzeit kein weiterer Geselle im Hause. Alle unter Lohn stehenden Faber hatten eigene Familien.
Randolph Borden, der Gold- und Zirkelschmiedemeister, Mitglied des Magistrates der freien Stadt Bath, war einer der reichsten Männer in diesem Teil Britanniens. Er nannte enormen Grundbesitz und ein Herrenhaus, welches in unmittelbarer Nachbarschaft von Caerphilly Castle gelegen war, sein Eigen. Noch war die mächtige Burg dort im südlichen Wales nicht fertig. Der Burgherr, Gilbert de Clare, bewohnte und verwaltete derweil Bordens prächtiges Landhaus. Dazu kamen eine Reihe von wertvollen Reittieren, eine besonders reichverzierte Tragesänfte für seine Frau und jenes Haus in Bath. Gwyn würde nie in seinem Leben den Anblick vergessen, den die mächtige Werkstatt, hinter dem Anwesen gelegen, auf ihn gemacht hatte. Ein weiter, gewölbeähnlicher Raum, gestützt durch mehr als ein Dutzend steinerner Säulen, wie das Schiff einer Kirche. An langen Tischen saßen Dutzende von Gesellen und fertigten Auftragsarbeiten. Drei große Schmelzöfen unterhielten ihr Feuer Tag und Nacht. Nur an den ganz hohen Kirchenfeiertagen ließ man die Glut ausgehen. Der Bischof von Essex selbst hatte dies in einem Freibrief verfügt. Kein anderer Faber im südlichen England genoss derlei Privileg.
In Bordens Haus wurden solch große Mengen Gold und Silber verarbeitet, dass ein ansehnlicher Teil davon ständig auf Vorrat in einem Keller unterhalb des Hauses verwahrt blieb. Zwei Schreiber führten Buch über die Perlen, Emaillunzen und Messingplatten, die Hornscheiben und Korallenstücke. Eine reiche Auswahl bester Werkzeuge stand allen Fabern zur Verfügung. Dies, weil Borden auch zwei Werkzeugschmiede beschäftigte, die jedes Werkzeug für das Unternehmen anfertigten und beschädigtes Material sogleich reparierten. Der Meister zahlte jedem seiner Arbeiter ein wenig mehr, als die Satzung der Innung es erforderte. Aber Gwyn erfuhr bald, welch eine
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