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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Refektoriumstisch. Skizzen und Entwürfe, wie auch einige dicke Bücher, lagen darauf. Davor, auf einem kunstvoll geschnitzten Stuhl, saß ein älterer Mann.
    Der nickte, und Gwyn trat näher.
    »Willkommen, junger Freund. Sagt mir Euer Begehr«, sprach der Mann.
    Seine Stimme war warm, aber in jenem Ton, der berechtigten Stolz gebietet und keinen Widerspruch duldet.
    Es war ein Gebot der Höflichkeit für Gwyn, sich zuerst vorzustellen. »Gott schütze Euch und Euer Haus, edler Herr. Man heißt mich Gwyn Carlisle, Sohn des Bert Carlisle. Mein Stand ist der eines Faber aurifex, Geselle der Gold- und Zirkelschmiede. Ich lernte das Handwerk in London bei Meister Fallen, Meister der Zunft. Meiner Lossprechung folgend, schickte mich der Rat auf Reisen. Nun bin ich auf der Such’ nach einem Platz, wo ich mein Handwerk zum Wohle Gottes ausüben kann.« Als er geendet hatte, besah sich Gwyn den Mann genauer.
    Er war von sehr stattlicher Statur. Sein Alter schätzte er auf etwa 50 Jahre. Eingerahmt von einem dichten, grauen, sorgsam gepflegten Bart, betrachtete ihn ein würdiges Gesicht. Als Kleidung trug der Mann eine knielange Weste, mit Borten verziert. Darunter ein fein gewebtes Wams und lange Beinkleider, die nach der Mode an den Knöcheln mit einer Borte geschnürt waren. Die Schuhe waren Schnabelschuhe, spitz nach vorne gebogen. Sie waren aus sehr feinem Leder, und die Farbe erinnerte den jungen Gesellen ein wenig an hellen Sand. Auf dem Kopf trug der Ältere eine samtene Kappe. Am Mittelfinger der linken Hand trug er einen kunstvoll gearbeiteten Ring. Dies war der einzige Schmuck des Mannes.
    Nach Gwyns Vorstellung hatte der Mann den Gesellen einen Moment lang aufmerksam betrachtet. Jetzt erhob er sich.
    »Ich grüße auch Euch, Gwyn Carlisle, und danke für Euren frommen Gruß. Euren Lehrherrn, Peter Fallen, kenne ich gut. Wir sahen uns wenigstens ein Dutzend Mal auf dem Treffen der Faber in Nottingham und in Hull. Dies liegt jedoch schon viele Jahre zurück. Ich hoffe, es geht ihm gut.«
    »Er lebt nicht mehr, Sir.«
    Der Mann wirkte betroffen. »Nicht mehr bei uns, ein so großer Meister unserer Zunft? Welch ein Verlust. Möge der Herr ihm einen Platz in der Ewigkeit anweisen, der seiner würdig ist.«
    Gwyn dankte dem Sprecher mit einer höflichen Verbeugung für den frommen Wunsch.
    »Ich bin Randolph Borden, aus dem Geschlecht der Borden«, fuhr der Mann fort. »Wir sind Goldschmiede schon seit Generationen. Dies ist mein Haus. Ich fertige für die Kirche und die Edlen von Bath. Meine Arbeit ist selbst am Hofe des Königs begehrt. Habt Ihr vielleicht ein Stück Eures Könnens, welches Ihr vorzeigen könnt?«
    »Gewiss, Sir!«
    Gwyn öffnete seinen Reisesack und überreichte dem Meister ein winziges Etui. Borden öffnete es und wiegte anerkennend den Kopf. Es war eine Mantelschnalle, wie man sie benutzt, um einen Umhang zu schließen. Die Fibel war lang und schmal und mit einem feinen Gefach aus Silber überzogen und ähnelte in der Form einem aufwendig geknüpften Netz. Die Zwischenräume waren mit hellem Cloisonnè gefüllt, so wie es, aus Aquitanien kommend, jetzt sehr modisch war. Das Schmuckstück wirkte leicht und spielerisch. Eine lange Nadel war der Verschluss des Ganzen.
    Borden war Kenner genug, um die ungewöhnlich feine und künstlerische Ausführung zu erkennen. »Ist dies Euer Gesellenstück?«
    »Nein, Sir, dies war die Auftragsarbeit für eine Lady. Sie schuldete meinem Meister noch ein wenig Geld. Aber sie konnte nicht bezahlen. Da ließ sie dies bestellte Stück als Pfand zurück und löste es nicht mehr aus. Nach dem Beschluss des Magistrates bekam es mein Meister anstelle des vereinbarten Lohnes zugesprochen. Später vermachte er es mir als Geschenk.«
    Borden nickte zufrieden nach dieser Schilderung. Er zweifelte an keinem der gesagten Worte. Die Gesetze der Goldschmiedezunft waren streng. Das Belügen oder gar Betrügen eines Mitgliedes der Zunft zog unweigerlich den Verlust von Titel und Zunftplatz nach sich. Kein Faber mit klarem Verstand würde seinen sicheren Status des erlernten Berufes so leichtfertig aufs Spiel setzen. Dessen gewiss, genügten Borden Gwyns Ausführungen vollkommen. Er würde auch auf weitere Empfehlungen nicht drängen.
    »Nun, junger Freund. Eine schöne, eine ungewöhnliche Arbeit. Sie macht mich neugierig. Wenn es Euch beliebt, so seid mir Geselle zur Probe, dies wenigstens für fünf Tage. Wenn Ihr Euch bewährt, will ich Euch anstellen.«
    Gwyn nickte freudig.

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