Der Goldschmied
der Faber. In der Stadt selbst gab es dagegen nur wenige Betriebe, dafür aber eine ganze Reihe von Gold- und Silberhändlern und Edelmetallbearbeitern in einer Gasse direkt am Fluss.
Faber wie auch Händler boten viel modischen Schmuck an, so wie Gwyn ihn in London kaum vorher gesehen hatte. Diese Vielfalt der Formen und die Kunstfertigkeit der Ausführung gefielen ihm. Aber wo er auch höflich nachfragte, keiner der Betriebe wollte Gwyn einstellen. Stattdessen verwies man ihn auf das Haus des Randolph Borden, einen Gold- und Silberschmiedemeister in der sechsten Generation.
Gwyn hatte sich den Weg von einem Gassenjungen zeigen lassen. Jetzt stand er staunend vor einem prächtigen, zweigeschossigen Stadthaus. Das Gebäude war ganz aus roten Ziegeln gebaut und dann sorgfältig mit weißem Kalk verputzt. Nur die Gefachung aus dunklem Holz blieb davon ausgenommen. Das Dach war nicht mit Stroh, sondern mit Dachziegeln aus gebranntem Ton gedeckt. Gwyn wusste, dass allein so ein kunstvoll gedecktes Dach ein Vermögen kostete. Nur für Kirchen und Ratsgebäude wurde dieses teure Baumaterial verwendet. Die Fenster der beiden Stockwerke waren mit dickem Glas versehen. Schlierenglas, welches die Glasbläser für jedes Fenster extra ziehen mussten. Auch das Haustor war eine prächtig geschnitzte Zimmerarbeit, beschlagen mit schweren, kunstvollen Scharnieren aus schwarz gebeiztem Eisen. Alles an diesem Haus war wertvoll und gediegen, ohne dass es protzig wirkte.
Gwyn fuhr sich mit dem Ärmel seiner Weste noch einmal über das Gesicht, schneuzte und spie zweimal kräftig aus. Er zupfte an seinem Gewand, rückte seinen Reisesack gerade. Seinen Langbogen hatte er im »Wilden Eber« hinterlegt. Er schlug mit der Faust gegen die Eingangstüre. Eine Weile passierte nichts, und er dachte schon, sein Klopfen wäre nicht gehört worden. Da ertönte doch ein Geräusch, und ein Riegel schnappte zurück. Eine Frau, einfach und sauber gekleidet, öffnete die schwere Türe.
»Gott schütze Euch, Frau«, grüßte Gwyn höflich. »Ich bin ein Faber aus London, nun Geselle auf Wanderschaft. Möcht gern den Meister reden! Vielleicht ist er bereit, mein Anliegen zu hören.«
Die Frau musterte ihn eine Weile. Dann nickte sie und ließ ihn eintreten.
»Der Herr ist in seinem Gemach. Bleibt hier, ich werd ihn fragen, ob er mit Euch spricht.« Sie ließ ihn stehen und verschwand hinter einer hohen, schmalen Türe.
Gwyn blickte sich neugierig um. Er stand in einer großen Halle, von der einige Türen wegführten. Eine breite Treppe, aufwendig geschnitzt, führte in das obere Stockwerk. Er lauschte angestrengt, aber es war still im Haus. Nur aus der Ferne glaubte er das feine, helle Geräusch von Hammerschlägen zu hören.
Der Boden war mit großen Platten aus dunklem Schiefer bedeckt. Darauf lag eine dünne Schicht feiner Sand. Es sah aus, als würde der Boden jeden Tag neu bestreut und dann gekehrt werden. So blieben die Platten trocken, und es gab weniger Ungeziefer im Haus. Die Halle war mit mächtigen Eichenbalken abgestützt. Kopfbänder aus fein geschnitzten Balken verbanden die Holzsäulen miteinander. Auch hier war jeder Balken mit Motiven verziert, als Beispiel der kunstvollen Arbeit der Zimmerleute. An der Wand neben der Türe, durch welche die Frau soeben verschwunden war, hing eine schwere Halskette. Gwyn trat näher und betrachtete sie, nicht nur aus Interesse seines Standes wegen. Dies war eine silberne Ratskette. Nur die Abgesandten der freien Stände trugen sie bei ihren Versammlungen. Der Hausherr schien nicht nur ein sehr wohlhabender, sondern auch ein einflussreicher Mann zu sein.
Er wollte noch näher treten, aber ein leises Kichern hinter seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Es war niemand zu entdecken. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass ihn ein Paar neugierige Augen beobachteten.
Durch ein hohes Fenster am Treppenaufgang schien das helle Tageslicht herein. Der Faber konnte das Tanzen des Staubes im Licht sehen.
»Junger Herr, ich bitt Euch!«
Die Frau hielt eine Türe geöffnet. Sie ließ Gwyn eintreten. Still schloss sich die Türe hinter ihm. Nun befand er sich in einem kleineren und niedrigeren Raum, dessen Wände ganz mit rötlich schimmerndem Holz verkleidet waren. Es roch angenehm mild nach Bienenwachs. Der Boden war mit Steinplatten belegt, die ein hübsches Muster ergaben. Er entdeckte nur wenige Möbelstücke. Doch war jedes für sich besonders kunstvoll. Unweit des Fensters stand ein prächtiger, langer
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