Der Goldschmied
Angreifer strauchelte. Gwyn blieb mit dem Ärmel am Kettenhemd des Söldners hängen. Der fiel auf den Rücken und riss dabei den Faber mit sich.
Gwyn blieb auf dem breiten Schild des Mannes liegen. Er wollte gleich wieder aufspringen, da hörte er den Söldner vor Schmerzen schreien. Gwyn rutschte von dem breiten Schild des Mannes herunter. Zitternd kroch er zur Mauer zurück. Zwischen ihm und seinem Angreifer waren kaum drei Schritte. Sauber am Handgelenk abgetrennt, lag dessen Hand inmitten einer Blutlache. Die Faust des Mannes umklammerte noch den Stiel der Axt, ganz weiß, als wär sie nur aus Wachs. Gwyn schrie bei diesem Anblick laut auf und atmete heftig. Unfähig, etwas zu tun, saß er da und sah, wie aus dem Armstumpf des Söldners das Blut in dünnen, kleinen Strahlen herausspritzte, bald weniger werdend, um dann ganz zu versiegen. Der Mann verblutete. Neben Gwyn kniete Meister Raoul, seine blutige Axt mit beiden Fäusten umklammernd. Er zitterte am ganzen Leib. Der Kampflärm ringsum war immer lauter geworden. Die Schlacht auf diesem Teil der Mauer schien entschieden. Die Verteidiger von Bath kämpften um ihr Leben. Da kroch plötzlich ein Kind neben Gwyn und betrachtete mit einem ungläubigen Staunen das Gemetzel ringsumher. Es war einer der zahllosen Gassenjungen, dreckig und voller Ungeziefer, heimatlos und sich selbst überlassen. Der Junge starrte auf Gwyn mit großen, hungrigen Augen. In der einen Hand hielt er einen Pfeilköcher, die andere Hand umklammerte Gwyns Bogen. Der Faber zog den Jungen an den Mauervorsprung neben sich. Die Schlächter hatten fast alle Männer auf diesem Wehrgang getötet. Von Master Raoul fehlte jede Spur. Und immer mehr Söldner stiegen über die Belagerungstürme herauf. Keiner achtete auf die beiden. Gwyn überprüfte seine Waffe.
»Bleib neben mir und gib mir immer einen Pfeil!«, befahl er dem Kind.
Er sprang auf, stellte sich in Position und spannte den Bogen. In kurzem Abstand schoss er mehrere Pfeile hintereinander ab. Jeder Schuss fand sein Ziel bei den Angreifern. Die Spannkraft des schweren Langbogens tat ihr Übriges. Gwyn schoss in immer kürzer werdenden Abständen, so als ob er im Rausch wäre.
Pfeil für Pfeil.
Keinem von de Guilberts Söldnern gelang es, an den Schützen mit dem Kind neben sich heranzukommen. Durch die immer kürzer werdende Schussentfernung war die Wucht der Pfeile so groß, dass sie selbst die Kettenhemden der Angreifer mühelos durchschlugen. Tief blieb jeder Pfeilschaft in den Körpern stecken oder traten gar auf der anderen Seite wieder heraus.
Pfeil für Pfeil.
Gwyn schoss wie in einem Traum.
Die ersten Angreifer wichen zurück. Dann wurden es immer mehr, die sich umwandten und ihr Heil in der Flucht suchten. Zu Dutzenden drängten die Angreifer über die Mauer zurück auf ihre Belagerungstürme.
»El diavolo! El diavolo!«
»Der Teufel! Der Teufel!«
Und so musste ihnen Gwyn vorkommen. Die schlanke Gestalt des Fabers, schweißüberströmt und von oben bis unten bespritzt mit Blut, das Gesicht in wilder Entschlossenheit verzerrt, trieb die Angreifer vor sich her. Pfeil für Pfeil.
Da drängten plötzlich an ihm vorbei die übriggebliebenen Verteidiger. Mit lautem Geschrei und dem Mut der Verzweiflung trieben sie den Gegner die Mauer hinab. Schnell versuchten die Kastillier, auf die wartenden Türme zu fliehen, über die wenigen Sturmleitern nach unten zu gelangen, denn sie trieb die Angst.
Sie drängten wie Lemminge über die Mauern. Viele traten fehl und stürzten ins Leere, mehr als zehn Mannlängen in die Tiefe. Andere hingen hilflos zwischen Mauer und dem Abgrund, sich verzweifelt in dem rauhen Gestein festkrallend. Die Verteidiger aber hieben mit Stangen und Knüppeln, Schwertern und Äxten auf jede Hand ein, bis jener losließ und schreiend in die Tiefe stürzte.
In weniger als einer Stunde war den Verteidigern von Bath die Abwehr des Angriffs gelungen.
Als de Guilbert seine Schlächter in abergläubischem Schrecken zurückkommen sah, wollte er es nicht glauben. Er tobte über ihre Angst, ihrer plötzlichen Feigheit und drohte jedem Einzelnen mit schlimmster Bestrafung.
Die Schlächter erlitten an diesem Tag ihre größte Niederlage.
Unter einem Wehrgang war Gwyn auf ein Fuder Stroh gefallen und sogleich vor Erschöpfung in tiefen Schlaf gesunken. Als er erwachte, erschien ihm das Schlachten auf der Mauer wie ein böser Traum. Er fragte nach dem Gassenjungen, aber niemand konnte ihm etwas über ihn sagen. Ein
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