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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Rundgang wieder auf und blickte sich dabei um, nach einem Bürger, der ihn von seinem Posten ablösen wollte. Drüben, auf der Seite der Belagerer, gürtete sich an jenem Morgen Bois de Guilbert sein Schwert um. Sobald es hell genug war, würde er erneut angreifen lassen. Denn er hatte heute Nacht geträumt, Bath zu erobern.
    Der Angriff begann zur sechsten Stunde des Tages. In langen Reihen, ein Mann hinter dem anderen, marschierten die Kriegsknechte von allen Seiten auf die Stadt zu. Jeder Reihe voran schritt ein Trommler. Der dumpfe Ton klang unheimlich und schwoll mit jedem Schritt an, mit dem die Angreifer näher rückten.
    Seit Wochen hatten die Wühler, Sapeure genannt, Gänge an die Stadmauer herangegraben. Sie hatten eine kleine Hütte zum Mauerbrechen mit sich getragen. Kaum länger, als ein Mann liegen kann, bewegten jeweils zwei Männer solch eine Hütte. Katzen nannten sie die Krieger. Dort, wo sich der Boden befinden musste, gruben sie in die Tiefe enge Gänge. Diese fraßen sich Tag für Tag näher an die Stadtmauern heran. Vor zwei Tagen jedoch hatte de Guilbert diese Knechte plötzlich abgezogen. Jenes zermürbende Geräusch, ein stetes Knirschen und Kratzen, welches bei Tag wie bei Nacht von den Verteidigern erlauscht werden konnte, war mit einem Mal verstummt. Stattdessen waren Bogenschützen ausgeschwärmt. Jeder trug eine Pavese mit sich, aus schwerem Holz, groß und breit wie ein Mann, mit einem schmalen Schlitz versehen. Die Schützen klappten zwei lange Pflöcke heraus und lehnten die Schilde auf den Boden. So stand die Holzwehr allein. Bald regneten Pfeile in dichten Garben vom Himmel. Ihr singendes Geräusch schwoll wie eine unheilvoll tödliche Melodie an, wurde lauter und lauter. Derweil die Verteidiger sich dicht an die Brustwehren pressten, hielt ein jeder sackleinene Lumpen, nasse Strohbündel oder Schilde über sich, um diesem tödlichen Pfeilregen zu entgehen. In dichten Salven fielen die Geschosse auf sie herab und zerbrachen beim Aufprall auf den Steinen. Wo ein Mann sich nicht richtig schützte, trafen die Pfeile Arme und Beine, oder blieben in Lederwamsen stecken. Auch zogen immer mehr Armbrustschützen auf. Ihre Pfeile folgten nicht so dicht. Während der Zeit, die ein Schütze zum Spannen und Laden seiner Waffe braucht, kann ein geübter Langbogenschütze wenigstens ein Dutzend Pfeile abschießen. Dafür schoss eine Armbrust gezielter. Im Schutze dieses Pfeilregens sammelte de Guilbert seine Truppen. Er selbst ritt auf seinem Pferd bis an die ersten Ausläufer der gegrabenen Gänge. Heute würde er die besten Männer gen Bath schicken.
    Die allerbesten .
    »Die Schlächter kommen!«
    Der Rufer schrie dies laut, und es erklang die Furcht darin. Die Verteidiger der Südmauer vernahmen es, und im Nu machte die Nachricht die Runde, bis ihn die letzte Seele in der leidgeprüften Stadt hören konnte.
    »Die Schlächter kommen!«
    Die Angreifer waren keine herkömmlichen Kriegsknechte, sondern Kastillier aus dem gleichnamigen Königreich. Geübte Söldner, aus León, Burgos, Salamanca und Toledo, Córdoba und aus der Gegend um Sevilla. Krieger, die schon im Heiligen Lande gegen die Türken und später im eigenen Land gegen die Mauren gekämpft hatten und für ihren Mut wie auch ihre Grausamkeit gefürchtet waren. Männer, die nicht für die Ehre und die Verbundenheit mit einem Lehnsherrn, sondern nur für reichen Sold töteten. Wie zu jedem Angriff läuteten die Kirchenglocken von Bath. Wieder lief jeder, der eine Waffe tragen konnte, zu den Mauern und Stadttoren. Die Stadtknechte mussten manchen vor Angst schlotternden Verteidiger mit dem Spieß auf seinen Platz treiben.
    Zwischen den gegnerischen Bogenschützen liefen schnell die gemeinen Knechte des Herzogs. Auf dem Kopf den Bacinet , den französischen Helm, sammelten sich die Männer in kleinen Gruppen und schoben mehrere Belagerungstürme unter Schreien und Fluchen an die Stadtmauern heran. Seit Tagen waren ganze Berge von Holz und Reisig in den Wassergraben geworfen worden. Auf diesem Fundament kamen die hohen Holztürme zum Stehen. Brandpfeile und Spieße wurden abgefeuert. Sie zwangen die Verteidiger, sich erneut hinter der Brustwehr eng an die Mauer zu pressen. Zu groß war die Gefahr, von einem Geschoss aus nächster Nähe getroffen zu werden. Ein Teil der Verteidiger schleuderte Brandfackeln zurück. Auch glühenden Sand ließ man herniederregnen. Doch diese Gegenangriffe gerieten ganz ohne Nutzen. Die hölzernen Türme

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