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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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waren die ganze Nacht lang mit Wasser übergossen worden. Keine Fackel brannte länger als einen Atemzug. Gwyn schrie beim Anblick der vorrückenden Krieger vor Aufregung und Angst. Die Spitzen der Türme ragten drohend über die Stadtmauern von Bath. So als wären sie riesige Fabelwesen, rückten sie Schritt für Schritt immer näher. Aus dem Innern erscholl ein wildes, mehr und mehr lauter werdendes Kampfgeschrei. Dieser Stadt würden sie kein Pardon geben!
    Jetzt, hier und heute, musste Bath bezahlen. Für all die Erschlagenen, von heißem Sand Verbrannten, für die verschütteten Sapeure, die ertrunkenen Knechte, für all jene Männer, die zu Krüppeln wurden, als sie die Sturmleitern herabstürzten und sich Arme und Beine brachen, für all die von Kalk und Jauche Geblendeten und diejenigen, die sich beim Sturz den Rücken brachen. Gwyn duckte sich. Die ersten Leinen flogen durch die Luft. Nur einen Moment später zeigte das metallische Klirren der Haken, wo sie an den Mauerzinnen Halt gefunden hatten. Dieses Geräusch klang wie der Einsatz einer Musik, die sich anschickt, aufzuspielen zu einem schrecklichen Tanz. Gwyn sah sich um.
    Neben ihm kauerte Master Raoul, der Bäckermeister. Niemand in der ganzen Stadt konnte solch herrliches weißes Brot backen wie er. Jetzt hielt er eine Axt umklammert. Als der Goldschmied ihn ansah, wusste er, auch Master Raoul hatte Angst.
    »Gott im Himmel, sei uns gnädig. Er sei uns gnädig, gnädig, bitte gnädig … Heiliger Stefanus, bitt für uns …«, betete der Mann.
    Und während er hastig sprach, schlotterte sein Leib, als wäre ihm kalt.
    »Gott im Himmel, sei uns gnädig …«
    Auch Gwyn murmelte fromme Worte.
    Das Gebrüll und Geheul der Angreifer war ohrenbetäubend laut geworden. Dann ertönte ein erstes dumpfes Krachen. Das Mauerwerk erzitterte. Ein vielstimmiger, lauter Schrei ertönte aus den Türmen. Wie mussten sie gierig sein nach ihrem Gegner, jene Kastillier, die von Oviedo übers Meer gekommen, hier in Britannien kämpften! Gwyn hörte das knirschende Geräusch von Holz, wenn es mit großer Kraft an hartem Stein entlangschabt. Das Geräusch erklang an diesem Abschnitt der Südmauer noch zweimal. Die Türme der Angreifer waren da. Bois de Guilberts Söldner erklommen den Mauergang, einer nach dem anderen.
    Die Schlacht begann.
    Mit Streitaxt und Bidhänder bewaffnet, wie Derwische um sich schlagend, griffen sie an. Doch ihr scheinbar wahlloses Gehaue war genau plaziert. Mit wenigen Streichen hieben sich die Männer eine Art Gasse durch die Reihen der Verteidiger. Kaum einer, der gegen die geübten Männer bei ihrem blutigen Handwerk bestehen konnte. Die Schlächter machten dabei ihrem Namen alle Ehre. Oft töteten sie nicht gleich, sondern verletzten einen Mann mit einem einzigen Streich schwer. Erst dann beendete blankes Eisen den ungleichen Kampf. Direkt neben Gwyn sprang plötzlich einer der angreifenden Männer auf den Wehrgang. Der Faber, noch immer am Boden kauernd, sah nur einen ledernen Stiefel. Mit beiden Händen zugleich griff er zu und riss den Mann von den Füßen. Der Söldner stürzte auf seine Knie. Aber noch im Sturz stieß er mit einer Streitaxt nach ihm. Gwyn konnte seine Beine gerade noch zurückziehen. Er sprang auf und griff nach seinem Knüppel. Auch der Söldner war längst wieder auf den Füßen. Gwyn holte aus und schlug mit seinem Knüppel so, wie es ihm Eldrige in mancher Übungsstunde gezeigt hatte.
    »Schlag auf den Arm, so fest du kannst! Ist der Hieb hart genug, lässt jener fallen, was immer trägt er in der Faust. Sei’s Schwert, Axt, Stock oder Spieß. Doch fest muss sein der Schlag. Dann lähmt er dessen Arm oder bricht ihn gar.«
    Dieser Angreifer hier war ein anderer Gegner. Ohne Mühe parierte er den Hieb mit dem Knüppel. Seine Axt durchtrennte das Holz, als wär es Tand für Kinder. Gwyn sprang zurück, strauchelte und wäre beinahe über Master Raoul gestürzt. Verzweifelt schleuderte er den Rest des Knüppels gegen den Mann. Der Söldner parierte erneut, und der Stiel flog über die Mauer.
    Nun stand Gwyn ohne Waffe vor seinem Gegner.
    »Schenk mir dein’ Arm, Bastard!«, schrie der Krieger.
    Er trat einen Schritt vor und holte aus. Nur um einen Zoll weit daneben sauste die Streitaxt an Gwyns Handgelenk vorbei und fuhr in die Mauer. Funken sprühten von der Klinge. Der Mann fluchte. Bevor er erneut ausholen konnte, sprang Gwyn mit aller Kraft gegen den Schild des Söldners. Die Wucht war groß genug, dass der

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