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Der Goldschmied

Der Goldschmied

Titel: Der Goldschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Mueller
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Knecht brachte ihm einen Kanten schwarzes Brot und harten Käse.
    Gwyn musste die ganze Kraft seiner Zähne aufbieten, um ein Stück abzubeißen. Aber es stillte seinen Hunger. Während er aß, starrten ihn die ausgemergelten Gesichter der Verteidiger und die großen, hungrigen Augen einiger Kinder an. Sie glotzten nur auf das Stück Brot und beobachteten ihn stumm, wie er versuchte, ein kleines Eck davon abzubeißen. Gwyn gab die Hälfte des Bissens einem Kind, den Käse einem Wächter. Dann stand er auf und wankte zurück in das Haus des Borden.
    Die Stille dort erschien ihm unwirklich, wie aus einer anderen, glücklicheren Zeit. Vom Gesinde war nur Kathleen, die Hausmagd, da. Bei Gwyns vorsichtiger Frage nach Agnes schüttelte sie nur den Kopf. Lady Borden war nicht da. Und die Magd wollte ihm auch nicht sagen, wohin sie gegangen war. Die Herrin hätte es strikt untersagt. Von den Gesellen hatte man seit Tagen nichts gehört. So wanderte Gwyn allein durch das große, stille Haus. In seinem Arbeitszimmer saß Randolph Borden. Er starrte vor sich hin und hörte nicht, wie sein Geselle eintrat.
    Gwyn blieb stehen und wartete. Er räusperte sich vernehmlich, war es doch wider die guten Sitten, zu sprechen, bevor der Ältere dies tat.
    Bordens Gesicht sah müde aus. Hatte sie ihm etwas gesagt, bevor sie das Haus verlassen hatte? Oder wusste er bereits längst alles?
    »Seid mir gegrüßt, Gwyn.«
    »Seid auch mir gegrüßt, Meister.«
    »Man erzählt sich Geschichten über Euch.«
    »Geschichten?«
    Gwyn spürte, wie es ihm plötzlich heiß durch den Körper jagte.
    »Ihr wart an der Südmauer …«
    »Oh, Ihr meint … meint solche Geschichten …«, stotterte Gwyn erleichtert.
    Es schien nicht so, als ob der Mann etwas wüsste. Da drehte sich der alte Handwerksmeister um und sah Gwyn ernst ins Gesicht.
    »Ein Mann mit einem Langbogen kann die tödlichste Waffe der Christenheit sein. Wenn Bath eine Truppe hätt’, die nur halb so gut schießen könnt’ wie Ihr, wir müssten kein’ Feind fürchten.«
    »Eure Worte beschämen mich, Meister. Bin kein mutiger Mann.«
    Jetzt lächelte Borden ihn an. Er wirkte erschöpft und ohne Kraft.
    »Mir wurde anderes berichtet. Nun gut! Bescheidenheit ist Euch wohl. Wer immer Eure Hand beim Schuss geführt, wir sollten ihm danken.«
    Gwyn nickte zum Einverständnis. Diese Ungewissheit wurde für ihn langsam unerträglich. Er würde Randolph Borden alles sagen. Jetzt, hier. Was immer der alte Meister dann tun würde, wäre besser als die Heimlichkeiten im Hause seines Brotherrn. Gwyn holte Luft und wollte sprechen. Aber Borden kam ihm zuvor.
    »Geht ins Stadthaus!«, befahl er. »Der Magistrat erwartet Euch.«
    »Ich soll Euch geleiten?«, fragte Gwyn verwirrt.
    »Nein, mich entschuldigt dort. Mir ist nicht wohl.«
    »Jawohl, Meister, aber ich verstehe nicht.«
    »Ihr braucht nicht zu verstehn. Man erwartet Euch, nun geht!«
    Es klang wie ein Befehl.
    Während Gwyn durch die Gassen eilte, konnte er überall die Zerstörungen sehen. Mit ohnmächtiger Wut mussten die Menschen zusehen, wie ihre prächtigen Bürgerhäuser niederbrannten. Da in den letzten Wochen jeder Tropfen Wasser zum Trinken gespart wurde, war ein brennendes Haus nicht zu retten. Alle Brücken waren beschädigt, zwei vollständig zerstört. De Guilberts Katapulte und seine schweren Steinschleudern hatten Mauern mit Urgewalt zerbersten lassen. Auf den Straßen lag knöcheltief der Staub.
    Randolph Borden, als hohes Mitglied des Rates in der ganzen Stadt bekannt, galt als einer der Unnachgiebigsten im Magistrat. Er war es, der bisher alle Mitglieder immer wieder beschworen hatte, keine Verhandlungen über eine Einstellung des Krieges einzugehen. An ein Nachgeben war nicht zu denken. Noch immer war Bordens Einfluss so groß, dass der Rat auf ihn hörte. Daran musste Gwyn jetzt denken. Bei all den Verwüstungen und Zerstörungen, den hungernden und kranken Menschen musste Bath eine Entscheidung treffen. Sonst würden Hunger oder Pest vollenden, was Guilberts Truppen nicht vermocht hatten.
    Als Gwyn vor das Stadthaus trat, blieb er einen Moment lang betroffen stehen. Das einstmals prächtige Gebäude war fast vollständig zerstört. Nur Teile des langen Wandelganges waren noch intakt. Lange suchte er nach dem Stadtbüttel. Man sagte ihm, dass dieser vor zwei Tagen gefallen sei. Ein Armbrustschütze hatte ihn bei seinem Wachdienst auf der Mauer nicht verfehlt. Nur wenige Mitglieder des Rates lebten noch. Vier Herren

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