Der Goldschmied
während er die rothaarige, im Gesicht zernarbte Gestalt betrachtete. Obwohl der Mann saß, war zu erkennen, dass er recht klein, aber von massiger Gestalt war. Sein linkes Auge war milchig weiß und blind, ohne Blick. Es sah aus wie ein Hühnerei, welches man hart gekocht.
Der Ritter Rupert, Gwyns Begleitung, sprach die Sitzenden an.
»Euer Gnaden, der Mann, nach dem Ihr verlangtet. Gwyn Carlisle, ein Faber aurifex aus Bath.«
Gwyn verneigte sich höflich nach dieser Vorstellung. Er hielt den Blick gesenkt.
De Guilbert sprach erst nach einer Weile. Seine Stimme klang scharf und gefährlich. »Ihr habt ein noch junges Gesicht«, stellte er fest.
Gwyn wusste nicht, was er antworten sollte.
»Sagt mir, wer lehrte Euch, so zu schießen?«, fragte der Kriegsherr.
Dieser Mann da vor ihm hatte etwas Einschüchterndes an sich. Der Faber schluckte, und die ersten Worte kamen ihm leise über die Lippen. Aber er zwang sich, Guilbert in die Augen zu schauen.
»Euer Gnaden. War mein Lehrherr, der selige Master Fallen. Er lehrte mich nicht das Kämpfen, wohl aber, sich der Haut zu wehren.«
Der Ritter wiegte einen Moment lang den massigen Schädel und brach plötzlich in lautes Lachen aus.
»Ihr seid um Worte nicht verlegen. Kommen ins Ziel, wie Eure Pfeile. Ihr gefallt mir, junges Gesicht. Kommt, trinkt mit uns!« Er machte eine rasche Handbewegung.
Ein Kastillier trat zu den beiden Sitzenden. Erneut erschauerte Gwyn beim Anblick des Mannes in voller Rüstung. Der Söldner trug jedoch keine Waffe. Er füllte drei Becher mit Wein und reichte zwei davon den beiden Männern. Den letzten Becher gab er Gwyn. Für einen Moment lang sahen sich die beiden stumm ins Gesicht. Im Blick des Mannes glaubte Gwyn so etwas wie Wut zu erkennen. Guilbert hatte das kurze Zögern des Söldners bemerkt.
»Das ist Ramiro, einer der wenigen, deren Leben Ihr schontet. Warum wohl?« Er fragte es spöttisch.
Gwyn erinnerte sich nur noch schemenhaft an die letzten Momente der Schlacht, als die Verteidiger von Bath mit Spießen und mit Keulen, mit Brandfackeln und Schwertern die Söldner zurück bis zur Mauerkrone drängten. An diesen Mann jedoch konnte er sich nicht erinnern.
»Sir, vielleicht schoss ich nicht, weil er floh.«
Wiederum lachte de Guilbert dröhnend los. Vergnügt schlug er sich mit der Hand auf die Schenkel. »Seht ihn Euch an, ihr Herren!«, rief er in die Runde der Wartenden. »Unser Freund schießt seine Pfeilʼ nur auf einen Mann, der ihm zugewandt. Lehrt Euch dies auch Euer Lehrherr selig?«
»Es ist ein Gebot, für das wir Briten stehen. Man kann’s nicht lernen.« Die Antwort war grob gewesen.
Der Herzog hatte zu lachen aufgehört. Langsam kratzte er sich im Gesicht.
Plötzlich stieß er den noch immer stumm stehenden Kämpfer neben sich in die Seite. »Tu dein Maul auf, Ramiro! Sag, was meinst du zu solch edler Gesinnung?«
»Töten ist mein Handwerk. Ich hätt geschossen.«
Gwyn erschrak erneut über das laute Lachen, in das der Herzog jetzt ausbrach.
»So kenne ich meine Männer, genau so. Warum auch nicht? Faber, seid gewarnt! Ramiro wird noch ein Tänzchen mit Euch wagen. Und dann seht Euch vor!«
Gwyn ergriff seinen Becher fester und trank behutsam einen Schluck. Es war roter Wein, ein wenig süß, so wie er noch nie vorher welchen gekostet hatte.
Stille herrschte im Lager des Fürsten. Manchmal war das Rauschen des Windes in den mächtigen Bäumen ringsum zu hören. Irgendwoher erklang metallisches Klappern aus der Menge der wartenden Krieger. Bois de Guilbert trank Becher für Becher und ließ sich immer wieder nachschenken. Der Bischof hatte sich zu einem Pagen gebeugt, der, mit Pergamenten versehen, neben ihn getreten war. Beide unterhielten sich flüsternd. Gwyn stand noch immer unter dem Baldachin. Es war ihm kein Platz zum Sitzen angeboten worden. Er fühlte sich müde, und sein Kopf schmerzte ein wenig. Einmal glaubte er fast, um einen Platz bitten zu müssen, als ihm ein wenig schwindlig wurde.
Da räusperte sich mit einem Mal der Kirchenobere. Mit einer Geste befahl er dem Diener, zurückzutreten. Er wandte sich de Guilbert zu.
»Euer Lordschaft, ehrenwerter Bois de Guilbert. Es gibt Nachricht aus London. König Heinrich wünscht eine Entscheidung …«
Guilbert winkte ab. »Der König!« Er sprach den Titel beinahe verächtlich aus. »Ich führe diesen Krieg mit der Stadt Bath. Eine aufgebrachte Bande von Krämern, die mir Zins und Tribut schuldig bleiben. Als Herr strafe ich nur den
Weitere Kostenlose Bücher