Der Goldvulkan
Auch an deren Beleuchtung war nicht zu denken, da sie vor dem unausgesetzten Schneetreiben niemand betreten konnte. Der Schnee häufte sich darin zu einer fünf bis sechs Fuß hohen Lage an. Von einem Verkehr zu Wagen und zu Pferde konnte natürlich keine Rede sein. Erreichte die Kälte dann ihre gewöhnliche winterliche Strenge, so konnte man gewiß kaum mit Axt und Schaufel in die erhärtete Masse eine Bresche legen, dann mußte man zu Sprengmitteln greifen. In gewissen Stadtteilen, in der Nachbarschaft des Klondike und des Yukon, gab es nicht wenige Häuser, die bis zum ersten Stockwerke förmlich blockiert und nur noch durch die Fenster zugänglich waren. Glücklicherweise wurden die in der Front Street nicht ebensoschwer heimgesucht und die beiden Vettern hätten ihr Hotel recht wohl verlassen können, wenn nur auf der Straße fortzukommen gewesen wäre. Hier hätte der Schnee aber schon nach einigen Schritten jedem Tollkühnen bis an den Hals gereicht.
Zu dieser Jahreszeit dauert der Tag nur wenige Stunden. Kaum daß die Sonne über die die Stadt einrahmenden Hügel emporsteigt. Da nun der Sturm die dichten kristallenen Flocken in solcher Menge vor sich hertrieb, daß auch das elektrische Licht sie nicht durchdringen konnte, herrschte je zwanzig unter vierundzwanzig Stunden in der Stadt vollständige Finsternis.
Da jeder Verkehr im Freien unterbrochen war, sahen sich Summy Skim und Ben Raddle auf ihr Zimmer beschränkt. Der Werkführer und Neluto, die mit Patrick in einer bescheidenen Herberge der niedern Stadtteile untergebracht waren, konnten sie nicht besuchen, wie die Leute es sonst zu tun pflegten, so daß also jede Verständigung mit diesen ebenso wie mit Edith und Jane Edgerton ausgeschlossen blieb. Summy Skim versuchte es zwar einmal, sich nach dem Krankenhause zu begeben, er wäre dabei aber bald unter dem Schnee begraben worden und die Leute des Hotels hatten Mühe genug, ihn heil und gesund daraus hervorzuziehen.
Selbstverständlich war jetzt am Klondike auch jeder öffentliche Dienst unterbrochen. Briefe kamen nicht mehr an und Zeitungen wurden nicht ausgetragen. Ohne die in den Hotels und den Privathäusern im Hinblick auf solche ernste Störungen angesammelten Vorräte wäre die Bevölkerung Dawson Citys geradezu vom Hungertode bedroht gewesen. Es bedarf da wohl kaum der Erwähnung, daß jetzt auch die Kasinos und die Spielsalons feierten. Kaum jemals hatte sich die Stadt in einer so beunruhigenden Lage befunden. Der Schnee machte die Wohnung des Gouverneurs unzugänglich und auf kanadischem wie auf amerikanischem Gebiete war jede amtliche Tätigkeit gelähmt. Wie hätte man da die täglichen Opfer der herrschenden Seuchen nach ihrer letzten Ruhestätte befördern können? Jetzt brauchte nur noch die Pest auszubrechen, dann hatte Dawson gewiß nach kurzer Zeit keinen einzigen Bewohner mehr.
Der erste Tag des Jahres 1899 war geradezu entsetzlich. In der ihm vorhergehenden Nacht und während des ganzen Tages fiel der Schnee in so unglaublicher Menge, daß er viele Häuser vollständig bedeckte. Am rechten Ufer des Klondike waren gleich von ganzen Häuserreihen nur noch die Dächer sichtbar. Man hätte glauben können, daß die ganze Stadt bald unter der weißen, von dem »Blizzard« herabgeschütteten Decke begraben würde, wie Pompeji einst unter der Asche des Vesuvs verschwunden war. Wenn hier unmittelbar darauf eine Kälte von vierzig bis fünfzig Grad eintrat, mußte die gesamte Bevölkerung unter der erhärteten Schneemasse zugrunde gehen.
Am 2. Januar trat im Zustande der Atmosphäre plötzlich eine starke Veränderung ein: Infolge Umschlagens des Windes stieg der Thermometer schnell über Null Grad und damit erschien es ausgeschlossen, daß die gewaltige Schneemenge erhärten könnte. Sie zerschmolz vielmehr binnen wenigen Stunden. Man mußte das, wie man zu sagen pflegt, selbst sehen, um es zu glauben. Das verursachte eine richtige Überschwemmung, die natürlich mancherlei Schaden anrichtete. Die Straßen verwandelten sich zu Bergströmen und die mit Trümmern jeder Art überladenen Fluten wälzten sich den Betten des Yukon und des Klondike zu und rauschten unter lautem Krachen über deren Eisdecke hin.
Die Überschwemmung verbreitete sich über den ganzen Bezirk. Unter andern stieg der Forty Miles Creek ganz gewaltig und bedeckte die stromabwärts gelegenen Claims. Eine neue Katastrophe und fast der vom Monat August zu vergleichen. Wenn Ben Raddle noch einige Hoffnung bewahrt hatte,
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