Der Goldvulkan
der andre eine Art Pendant zu jedem der beiden Wortführer.
»Erscheint es Ihnen indiskret, Miß Edgerton, fuhr Ben Raddle weiter fort, wenn ich Ihnen das Erstaunen verrate, das wir, mein Vetter und ich, empfanden, Sie an Bord des »Foot-Ball« zu sehen, und wenn ich Sie deshalb frage, warum Sie diese lange und so beschwerliche Reise unternommen haben?
– Keineswegs, versicherte Jane ohne Bedenken. Ein alter Arzt meines Onkels, der Doktor Pilcox, der kürzlich zum Direktor des Krankenhauses in Dawson City ernannt worden ist, hat meiner Cousine Edith eine Stelle als Kranken pflegerin angeboten und das hat sie sofort angenommen und die Reise dahin ohne Zögern angetreten.
– Nach Dawson City?
– Ja ja, nach Dawson City.«
Die Blicke der beiden Vettern, der Ben Raddles ruhig wie immer, der Summy Skims von aufkeimendem Erstaunen etwas erregt, richteten sich auf die blonde Edith, die sie auf sich ruhen ließ, ohne die geringste Verwirrung zu zeigen. Sie gönnte ihnen das Vergnügen, sie unverwandt zu betrachten, und je mehr der eine der beiden Herren sich über alle Nebenumstände erkundigte, desto weniger unvernünftig erschien ihr kühnes Unternehmen. Allmählich erkannten die Vettern klarer die Seele, die sich hinter diesen zarten Zügen verbarg. Offenbar war Edith von ihrer Cousine verschieden. Sie hatte nicht deren mutigen Blick, deren knappe Sprechweise und entschlossenes, fast befehlerisches Auftreten. Ein aufmerksamer Beobachter hätte aber bald erkannt, daß sie der Base an ruhiger Energie und festem Willen wohl gleichkam. Die beiden Naturen waren aus demselben Stoff geknetet, die eine nur mehr und fester als die andre. Wenn aus der einen Entschiedenheit und Tatendrang sprach, zeugte bei der andern alles für gute Ordnung und Methode. Wenn man diese glatte, ein wenig viereckige Stirn sah und die blauen Augen voll leuchtender Intelligenz, erriet man auch, daß alle neuen Eindrücke sich in ihr selbsttätig gleichsam in gewisse, richtig etikettierte Kästen einordnen müßten, woraus Edith Edgerton sie bei Bedarf nach Belieben und ohne erst danach zu suchen hervorholen konnte, wie sie es mit allem in einer Kommode getan hätte, und man mußte also zugestehen, daß ihr die Eigenschaften eines vorzüglichen Ordners zu eigen waren. Ohne Zweifel erfreute sie sich eines hervorragenden Verwaltungstalentes, dieses junge Mädchen, und man konnte sich darauf verlassen, daß sie dem Krankenhause in Dawson City die segensreichsten Dienste leisten werde.
»
All right!
rief Ben Raddle, ohne die mindeste Verwunderung zu zeigen. Doch Sie selbst, Miß Jane, denken Sie sich ebenfalls der Liebestätigkeit zur Linderung menschlicher Leiden zu widmen?
– Ach… ich, antwortete Jane lächelnd, ich bin nicht so gut daran wie Edith, mir steht keinerlei gesellschaftliche Stellung offen. Da mich nun nichts mehr im Süden zurückhielt, habe ich es vorgezogen, mein Glück im Norden zu suchen… das ist alles.
– Und was denken Euer Gnaden da zu beginnen?
– Du lieber Himmel, erklärte Jane gelassen, das, was alle tun: ich werde auch nach Gold schürfen.
– Oho!« entfuhr es Summy unwillkürlich.
Der Wahrheit zur Ehre müssen wir sagen, daß Ben Raddle all seiner Selbstbeherrschung bedurfte, es seinem Vetter nicht gleichzutun und seinem Grundsatze treu zu bleiben, wonach ein Mann, der diesen Namen verdienen wollte, nie und über nichts erstaunen dürfte. Gold suchen… dieses zarte, junge Ding!
Das »zarte, junge Ding« hatte sich inzwischen, beleidigt durch Summy Skims unglücklichen Zwischenruf, nach Bens Vetter umgedreht.
»Was ist daran so Wunderbares? fragte sie mit etwas streitbarem Ausdruck.
– Aber… Miß Jane… stammelte der gute Summy, der sich noch kaum von seinem Erstaunen erholt hatte, nein… das können Sie doch nicht beabsichtigen… Sie… eine Frau!
– Ich bitte Sie, werter Herr, warum soll eine Frau nicht dasselbe tun können wie zum Beispiel Sie? entgegnete Jane, ohne sich dabei zu erregen.
– Ich? protestierte Summy. Mir fällt’s ja gar nicht ein, Goldgräber zu werden. Wenn ich auch Mitbesitzer eines Claims und jetzt auf der Reise nach jenem verwünschten Lande bin, so geschieht das sehr gegen meinen Willen, das können Sie mir getrost glauben. Ich habe nur das Verlangen, von dort so schnell wie möglich zurückzukehren.
– Nun ja, das mag ja sein, gab Jane mit leiser Geringschätzung im Tone zu. Sie sind hier aber nicht allein. Was Ihnen Schrecken einflößt, das tun doch tausende andre.
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