Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
Stimme vor Schmerz und Trauer mittlerweile heiser ist, unruhig auf ihrem Stuhl mit dem Oberkörper vor und zurück. Sie hofft, dass ihr die monotone Bewegung etwas Erleichterung verschaffen wird. Die Finger ihrer Hände haben sich ineinander verkrallt, hell scheinen die Knöchel unter der von Landarbeit derben Haut hervor. Wie erschöpft hängt ein grünes Kopftuch über ihr krauses Haar. Ihr verschmutztes, löchriges Kleid bedeckt ihren Körper schlaff wie ein Totenhemd. Ihre Aussage wird sich später in einem detaillierten Bericht von Human Rights Watch wiederfinden: »Als die Schießerei begann, flohen die Leute in alle Richtungen. Meine Mutter war zu alt, um wegzulaufen, und sie versteckte sich im Haus mit acht Familienmitgliedern und vier Nachbarn. Ich hatte fürchterliche Angst und versteckte mich hinter dem Haus. Ich verbarg mich im hohen Gras. Da flogen so viele Kugeln durch die Luft und ich blieb die Nacht hindurch in meinem Versteck. Um 5:30 Uhr morgens sah ich Soldaten zu dem Haus gehen. Weil es gerade hell wurde, konnte ich erkennen, dass es Soldaten der Bravo Brigade waren. Die Menschen im Haus redeten miteinander, ein Baby schrie und sie hatten Feuer angemacht, um etwas zu kochen. Rauch stieg auf. Die Soldaten klopften an die Tür und massakrierten acht Menschen in dem Haus. Nur meine vier Enkel überlebten. Die Soldaten feuerten immer weiter im Dorf. Ich floh tiefer in den Busch. Drei Tage später kehrte ich zurück, nur um die Leichen meiner Kinder und meiner Mutter zu sehen. Ihre Körper steckten in Latrinen. Ich konnte die Füße meiner Mutter aus einer herausragen sehen.«
Alleine an diesem Tag ermorden die Soldaten der Bravo Brigade an diesem einen Ort mindestens 15 Menschen. Obwohl alle Berichte Oberst Makenga eine Verantwortung für Massaker wie diesem zusprechen, hat kein Staatsanwalt im Kongo bislang Anklage gegen ihn erhoben.
Wenige Tage nach dem Treffen mit eben diesem Oberst erhält Paulin einen Anruf. Als er Robert davon erzählt, kann er es immer noch kaum glauben: Laurent Nkunda hat versprochen, dass keiner seiner Männer einem Gorilla ein Leid zufügen wird. Er hat es bei Todesstrafe verboten. Robert überlegt, was das Versprechen eines Mannes wert ist, dem tausendfacher Mord und tausendfache Vergewaltigungen zur Last gelegt werden. Hoffentlich wird es mehr als nichts sein.
Bald kommen neue Nachrichten. Robert erfährt sie von einem Mitarbeiter des Mountain Gorilla Veterinary Project, einer gemeinnützigen Organisation, die versucht, den Berggorillas tiermedizinische Unterstützung zu geben. Die Tierärzte greifen nur dann ein, wenn Gorillas gesundheitliche Probleme haben, die lebensbedrohlich sind oder von Menschen verursacht wurden. Und in diesem Fall handelt es sich um beides. Es ist wieder einmal eine jener Geschichten aus dem Kongo, die trotz aller unerbittlichen Grausamkeit den Keim der Hoffnung in sich tragen.
An der kongolesisch-ruandischen Grenze zwischen Goma und Gyseni haben Zöllner einen jungen Gorilla beschlagnahmt. Die Männer fanden das Tier in einer Kiste auf einem Laster. Sein Zustand war jämmerlich, unter anderem weil sich eine Drahtschlinge tief in sein rechtes Handgelenk ein geschnitten hatte. Eine üble Wunde, die sich bereits heftig entzündet hatte. Die Infektion schickte sich an, den Arm he raufzukriechen und den ganzen Körper des dreijährigen Männ chens zu vergiften. Schon floss Eiter über das schwarze Fell, und ein dumpfer, atemraubender Geruch stieg von dem abgeschnürten Gewebe auf. Der Affe war in einem sehr schlech ten Zustand. Jeder konnte sehen, dass er ohne Hilfe die nächsten Tage nicht überstehen würde. Die eilig herbeigerufenen Tierärzte handelten entschlossen. Wenn sie das Leben des kleinen, gepeinigten Gorillas retten wollten, dann mussten sie amputieren, und zwar noch an Ort und Stelle. Die Operation war riskant, weil die Narkose den geschwächten Körper vielleicht töten würde, aber die Nekrose in der abgeschnürten Hand hätte das mit Sicherheit getan. Nach der geglückten Operation bringen die Tierärzte ihren Patienten in die Auffangstation Kingi in Ruanda. Dort wird er sich erholen. Sein Stumpf heilt schnell und sein Körper erholt sich gut von der Tortur. Seine Pfleger taufen das Männchen auf den Namen Kaboko. Der Heranwachsende wird überleben. Ein Jahr lang bleibt er verschüchtert, meidet verängstigt Menschen und zieht sich auch von den anderen Waisen in der Station zurück. Versonnen spielt er mit den Gräsern, die vor
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