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Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo

Titel: Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Jutzi
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seinen Augen aus dem Boden sprießen. Zu schwer lastet das Erlebte auf ihm, als dass er ausgelassen herumtollen könnte. Aber nach einem Jahr fängt er sich, flammen Lebensmut und Lebenslust in ihm auf. Immer häufiger sucht er nun die Nähe seiner Artgenossen, immer selbstbewusster behauptet er seinen Platz unter den anderen Affen. Kaboko ist lädiert, sein Stumpf zeugt von seiner schmerzhaften Vergangenheit, aber er lebt und wird sich dieses Leben erschließen. Er wird so gut leben, wie er eben kann.

XVII
    D er Regen fällt lange und dicht. Die halbe Nacht prasseln Tropfen um Tropfen auf das Blätterdach des Waldes, läuft Rinnsal über Rinnsal an Zweigen und Stämmen herab, füllen sich Flechtenmatten prall mit Wasser, weicht schließlich der Boden auf. Gorillas haben, anders als beispielsweise Schimpansen oder Orang-Utans, den Regenschirm noch nicht erfunden. Zwar ließen sich im Wald überall riesige Blätter pflücken und über Kopf und Körper halten, um zumindest den ärgsten Regenschwall abzufangen, aber den schwarzen Riesen ist dieser Gedanke noch nicht gekommen.
    Kabirizis Familie verbringt die Nacht deshalb wie gewöhnlich in ihren Schlafnestern. Allenfalls die Kleinsten haben sich noch etwas enger an ihre Mütter oder Geschwister gedrückt. Kühle, feuchte Witterung ist für sie lebensbedrohlich. Schnell nisten sich Krankheitserreger in den Atemwegen ein, erzeugen Fieber und schwächen einen wachsenden Körper so sehr, dass ihn das Leben überfordert. Doch diesen Morgen erleben alle wohlbehalten.
    Wie oft nach einem starken Regen ist Kabirizi übellaunig. Das Platschen der Regentropfen, ein durchnässtes Fell, Kälte und dazu die Ungewissheit über die Dauer dieses Zustandes zehren selbst an der zähesten Duldsamkeit. Und heute Morgen, als ob sie fürchteten, dass mit dem schlechten Wetter ihr Ende gekommen sei, tummeln sich die Läuse zwischen seinen schwarzen Haaren ganz besonders emsig und piesacken ihn mit quälendem Juckreiz. Zu allem Überfluss fühlt der Silberrücken auch noch ein unangenehmes Rumoren in seinem Bauch. Er kennt das und mag es nicht, weil er schon oft erfahren hat, dass sich diese zunächst gar nicht schmerzhafte Regung im Laufe der Zeit zu üblen Krämpfen entwickeln kann.
    Kabirizi weiß nicht, dass sich sein Darm gegen die Würmer wehrt, die sich in ihm fortpflanzen. Er ahnt nicht, dass sich die Parasiten schon immer in den Därmen seiner Vorfahren ausgebreitet haben und wohl auf alle Zeit Gorilladärme besiedeln werden. Er weiß auch nicht, dass die Schmerzen in seinem Bauch nicht von ihm selbst kommen. Denn er trennt nicht zwischen sich und seinem Leid. Leidet er, trifft ihn das mit unbegrenzter Härte, dann ist er ganz Leid, so wie er immer alles ganz und gar ist.
    Kabirizi hat keine Vorstellung von moderner Medizin. Aber er spürt einen Trieb. Er muss etwas finden, das ihm, das hat er von seiner Mutter gelernt, Erleichterung verschaffen wird. In seiner Nase, an seinem Gaumen kitzelt ihn ein Verlangen nach einem ganz bestimmten Aroma. Es ist der Geruch, der Geschmack, den er mit dem Zwicken in seinem Bauch verbindet. Immer wenn er dieses Rumoren verspürt, muss er diese eine Pflanze finden, die zu dem Aufruhr in seinen Eingeweiden gehört.
    Das Pfeffergewächs sprießt hier häufig. Kabirizi frisst dessen dicke Blätter, selbst wenn er kein Kollern in seinem Bauch spürt. Kündigen sich aber die schmerzhaften Krämpfe an, sucht er das heilende Grün gezielt. Denn der würzige Geschmack des Krautes und Bauchschmerzen gehören nun einmal zusammen. Deshalb sucht der Silberrücken jetzt nach dieser einen Pflanze und bewegt sich von seiner Gruppe fort. Er ist so darin vertieft, dass er nicht bemerkt, wie weit er sich von seiner Familie entfernt. Schon hört er keine Fressgeräusche mehr, tobt keiner seiner Nachkommen mehr um ihn herum. Aber der Drang, das Gewächs zu finden, ist stärker und treibt ihn tief in den Wald hinein.
    Endlich findet er, wonach er gesucht hat. Er greift nach den glänzenden, herzförmigen Blättern und schiebt sich gleich ein ganzes Bündel davon in sein Maul. Unterbrochen von kleinen Pausen, in denen der Gorillamann auf das Grummeln in seinem Bauch lauscht, vertilgt Kabirizi beinahe den ganzen Strauch. Seine Zähne mahlen Blätter und Zweige zu einem faserigen Brei. Als ein Teil des Pfeffergewächses nur noch als Stumpf aus dem Boden ragt, zerrt er sogar so lange an den Trieben, bis er Stücke der Wurzel in der Hand hält. Diese befreit er mit seinen

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