Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
ist es gewohnt, dass ihm ein anderer Silberrücken seine Stärke demonstriert. Ihm ist das gleich. Solange er sich bei seiner Sippe aufhält, sich hin und wieder mit einem Weibchen paaren darf, ist er zufrieden. Aber dieser andere will mehr, das spürt er. Schließlich verbindet sie keine Verwandtschaft. Dieser Fremde würde ihn sicher nicht neben sich dulden. Dieser Eindringling gefährdet nicht nur seinen Bruder, er bedroht ihn selbst und das Leben, wie er es bisher kennt.
Ndungutses Bruder lauscht und wittert. Von seiner Gruppe fehlt jede Spur. Er ist alleine. Sie sind weitergewandert, haben sich nicht darum gekümmert, dass er – wie sonst auch – hinter der Gruppe geblieben ist. Niemand hat bemerkt, dass er diesmal viel weiter als üblich zurückgefallen ist. Keiner der Gorillas, die ihn sonst besuchen, ist beunruhigt, dass er nicht mehr da ist. Jetzt rächte sich, dass er seinem Bruder immer den Vortritt gelassen, nie dessen Position angezweifelt, nie dessen Stellung eingefordert hat. Die anderen sind einfach fressend, raufend und nach dem Wohlwollen ihres Patrons heischend weitergezogen, ohne sich darum zu scheren, dass er hier nun einem gefährlichen Fremden gegenübersteht, der offensichtlich nichts Gutes im Schilde führt.
Kabirizi irritiert die scheinbare Gelassenheit seines Gegners. Hat er bereits aufgegeben oder steckt eine besondere Heimtücke dahinter? Groll steigt in ihm auf. Er erhebt sich auf seine Hinterbeine und läuft, heftig auf seine Brust trommelnd, an Ndungutses Bruder vorbei. Der verharrt weiter unbeirrt. Will der da nicht kämpfen? Weshalb rührt der sich nicht? Kennt er nicht die Rituale, die zu einem ordentlichen Duell gehören? Kabirizi wiederholt seinen Lauf. Sein Zorn wächst weiter und entlädt sich schließlich an einigen Bambushalmen. Er vergisst dabei allerdings, dass er seinem Gegner den Rücken zuwendet, während er die Stangen eine nach der anderen mit lautem Krachen zerbricht.
Die Rückseite des Feindes ist für Ndungutses Bruder der entscheidende Reiz. Wenn er etwas gegen den Fremden ausrichten will, dann ist jetzt der richtige, der vielleicht einzige Moment. Ohne jegliche Vorankündigung stürmt er los. Seine Beine katapultieren seinen schweren Körper in Richtung Kabirizis. Kurz bevor er den Widersacher erreicht, hebt er seinen Oberkörper an, stößt einen grässlichen Schrei aus und hämmert dem Gegner mit beiden Fäusten auf den Rücken.
Das Adrenalin, das sich in Kabirizis Körper ausgebreitet hat, lässt ihn die Schläge nicht mit der vollen Wucht spüren, die in der Attacke steckt. Seine gesamte Muskulatur steht unter Spannung, seine Nerven sind darauf eingestellt, Angriffsbefehle weiterzuleiten und keine Schmerzimpulse. Dennoch zwingt ihn der Aufprall der Fäuste in die Knie. Ndungutses Bruder springt zur Seite, richtet sich auf und lässt seine Fäuste erneut auf Kabirizi niederdonnern. Sein gesamter Oberkörper wird von der Wucht der Schläge nach vorne gerissen. Als er den Tiefpunkt dieser Bewegung erreicht, sieht er das rechte Bein seines Gegners dicht vor seinem Gesicht. Er klappt seinen Unterkiefer weit nach unten, dann spürt er das haarige Bein in seinem Mund. Das Zusammenklappen der Kiefer geschieht automatisch. Ndungutses Bruder versucht, das Bein festzuhalten und seine Zähne so tief wie möglich in das blutende Gewebe zu versenken. Da spürt er einen schweren Schlag an seinem Kopf.
Kabirizi überwindet augenblicklich die Überraschung über die unvermittelte Attacke. In den Bruchteilen einer Sekunde gelingt es ihm, sich umzudrehen und den Kontrahenten ins Auge zu fassen. Doch der ist schon wieder über ihm und hämmert erneut auf ihn ein. Dann fühlt er auch schon einen stechenden Schmerz in seinem rechten Bein. Ein blitzartiger Reflex katapultiert seine rechte Faust gegen den Kopf seines Gegners. Der Schlag ist schwungvoll, aber nicht so kräftig, dass er den Angreifer außer Gefecht setzt. Trotzdem lockert sich der Biss ein wenig. Der Hieb hat zumindest das Moment der Überraschung auf seiner Seite. Keine Sekunde nach dem ersten Schlag spannt sich die Muskulatur in Kabirizis rechtem Arm erneut. Der Silberrücken holt zu einem weiteren Gegenangriff aus. Diesmal prallt seine Faust mit voller Wucht auf den Schädel seines Kontrahenten. Dessen Biss lockert sich weiter, und Kabirizi zieht sein Bein aus dem Maul. Ihm bleibt keine Zeit, sich auf die Schmerzsignale zu konzentrieren, die von seinem Unterschenkel in Richtung Gehirn schießen. Er sieht auch
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