Der Gorilla - die letzten schwarzen Riesen im Kongo
nicht das Blut, das über sein schwarzes Fell am Knöchel rinnt. Mit allem, was er an Willen aufbringt, trachtet er jetzt danach, seinen Feind zu vernichten. Noch ehe sich Ndungutses Bruder von den Schlägen erholt und sein Gleichgewicht wiederfindet, springt Kabirizi seinen Widersacher mit einem ohrenzerreißenden Schrei an. Jetzt sind sie nicht nur Kontrahenten in einem Machtkampf, jetzt sind sie Todfeinde.
Kabirizi hämmert mit unablässigen Schlägen auf seinen Gegner ein. Immer wieder reckt er seinen Oberkörper in die Luft und lässt seine Arme mit ungebremster Wucht auf den anderen niederfahren. Er reißt sein Maul weit auf. Furchterregende Schreie entfahren seiner Kehle und schleudern dem anderen pure Aggression und Vernichtungswillen entgegen. Seine Zähne blitzen auf und drohen mit Tod. Ndungutses Bruder wehrt sich nach Kräften. Die unbändige Gewalt, die sein Angriff entfesselt hat, überrumpelt ihn jedoch. Mit seinen Armen, die einen Bambus wie einen Strohhalm zerknicken können, versucht er, Kabirizis Schläge abzufangen. Auch er reißt sein Maul auf und schreit, aber in sein Gebrüll mischen sich Furcht und die Ahnung der Niederlage. So sehr sein Brustkorb auch pumpt, um möglichst viel Luft aus seiner Lunge durch Luftröhre und Kehlkopf zu pressen, es gelingt ihm nicht, den reinen, erschreckenden Klang der Mordlust zu erzeugen, der ihm selbst entgegenschlägt.
Kabirizi prügelt unablässig auf den anderen ein. Als dieser zurückweicht, stachelt ihn das weiter an. Noch ehe er weiß, dass er gewonnen hat, dass der andere aufgeben und sein Heil in der Flucht suchen wird, steigert sich sein Toben zur Raserei. Er sieht nur noch das schwarze Fell, den silbergrau schimmernden Rücken seines Feindes, schlägt, tritt und beißt in grenzenlosem Zorn. Die beiden Kolosse wälzen sich über die Lichtung, verschwinden in der dichten Vegetation, brechen wieder hervor, nur um in ihrer Kampfeswut an anderer Stelle noch mehr Pflanzen platt zu walzen. Kabirizi bleibt immer dicht an seinem Gegner, verfolgt ihn unablässig und lässt ihm keine Zeit zur Besinnung. Ndungutses Bruder spürt Wellen dumpfen Schmerzes, die Kabirizis Schläge durch seinen Körper jagen, er spürt ein merkwürdiges Summen in seinem Kopf, wenn eine der Fäuste seinen Schädel trifft. Die Schreie des anderen dringen dagegen nur noch durch ein unablässiges Rauschen zu ihm durch.
Er hat verloren, aber die Übermacht des Gegners, die Schläge, das Geschrei lähmen ihn. Fast wie in Trance hebt auch er seine Arme, um den Angreifer abzuwehren und seinerseits Prügel auszuteilen, anstatt sie nur einzustecken. Die Kraft des anderen ist jedoch so übermächtig, dass sie diese Gegenwehr zum Aufbäumen eines Halbstarken herabwürdigt. Als schließlich in seiner Schulter der scharfe Schmerz eines Bisses aufflammt, ballt sich sein verbliebener Lebenswille zusammen und löst einen allerletzten Impuls in ihm aus. Mit letzter Kraft stößt Ndungutses Bruder einen gellenden Schrei hervor und bäumt sich auf. Die Heftigkeit dieser Bewegung raubt Kabirizi das Gleichgewicht. Der plötzlich nach oben schnellende Körper drückt seinen Kopf mit solcher Wucht in den Nacken, dass er auf den Rücken zu fallen droht. Gerade noch fängt er den Sturz mit einer schnellen, nach hinten gerichteten Armbewegung ab. Das verschafft seinem Gegner die nötige Zeit, um zu fliehen. Noch ehe sich Kabirizi wieder auf ihn stürzen kann, verschwindet Ndungutses Bruder im Dickicht.
Kabirizi unternimmt nur einen halbherzigen Versuch, dem Flüchtenden zu folgen. Am Rand der kleinen Lichtung, deren Saum vom Kampf um mehrere Meter in den Wald vorgeschoben worden ist, sinkt er zu Boden – betäubt von der Anstrengung und benommen von der Eruption aus Wut und Kraft, die eben hervorgebrochen ist. Der Silberrücken atmet schwer. Sein Körper ringt gleichermaßen mit den Auswirkungen des Adrenalins wie mit seinen Wunden. Nur langsam gewinnen die Schmerzen die Oberhand.
Erst als sich die Sonne dem Horizont nähert und die Blätter der Bäume keine scharfen Schatten mehr auf den Waldboden werfen, kommt Kabirizi wieder zu sich. Mühsam erhebt er sich und verlässt schleichend den Schauplatz seines Sieges. Bevor er sich in die hereinbrechende Dunkelheit des Waldes zurückzieht, verharrt er eine Weile und blickt auf die Lichtung zurück, als ob er das Geschehene noch einmal über denken wolle. Dann verschwindet er. Nur geknickte Äste und Halme sowie einige kleine Pfützen aus trocknendem
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