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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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eine Schlange.«
    »Laßt mich mit dem Beil versuchen!« rief der Seemann. »Laßt mich mit dem Beil versuchen!« Er schob ihm die Schneide dicht neben Taylors Finger in den Mund, wobei er die Zähne des Mannes als Unterlage benutzte. Jan hielt fest und atmete schnaufend wie ein Butzkopf durch die Nase. »Stütz alle Mann! Jetzt geht es.«
    »Puh! Danke – das hat geholfen!« Und Taylor versuchte, dem Opfer seinen Arm um das wild um sich tretende Bein zu schlingen.
    Aber Jan kam in seiner Berserkerwut hoch; blutend, schäumend, fluchend; fünf Jahre Frost schmolzen plötzlich im Höllenfeuer. Sie schwankten hin und zurück, stöhnend und schwitzend wie ein zyklopisches, vielbeiniges Ungeheuer, das sich aus der Tiefe hob. Die Lampe stürzte um, die Flamme erstickte in ihrem eigenen Fett, und das schwache Mittagslicht vermochte kaum durch das schmutzige Zeltleinen hereinzudringen.
    »Um Gottes willen, Jan, komm doch zu dir«, bat der Rote Bill. »Wir wollen dir ja nichts tun. Wir wollen dich ja nur hängen, und du machst eine solche Unordnung und einen solchen Spektakel, daß es ganz schrecklich ist. Daß man all die Zeit mit einem Mann zusammen gereist ist und dann so von ihm behandelt wird! Das hätte ich nicht von dir geglaubt, Jan!«
    »Er hat zuviel Fahrt. Versuch, seine Beine zu packen, Taylor, und hiev ihn herüber.«
    »Ja, Herr Lawson. Und sobald ich es sage, legst du dich mit deinem ganzen Gewicht auf ihn.« Der Kentuckier tastete in der Dunkelheit herum. »So, schieb los!«
    Wie eine Sturzsee wankte und taumelte eine Vierteltonne Menschenfleisch gegen die Zeltwand. Pflöcke und Zeltleinen wurden ausgerissen, und das Zelt stürzte zusammen und hüllte die Kämpfenden in seine schmutzigen Falten ein.
    »Du machst dir nur unnütze Mühe«, fuhr der Rote Bill fort, indem er gleichzeitig beide Daumen auf eine behaarte Kehle preßte, deren Besitzer er unter sich festhielt. »Du hast uns schon genug Mühe gemacht, und wenn wir dich aufgehängt haben, dauert es mindestens einen halben Tag, um alles wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mich losließest«, fauchte Taylor.
    Der Rote Bill grunzte und löste seinen Griff, und die beiden krochen ins Freie hinaus. Gleichzeitig versetzte Jan dem Seemann einen Tritt, so daß er beiseite kullerte, und schoß über den Schnee davon.
    »He, ihr Faulpelze! Buk! Bright! Ihm nach! Werft ihn nieder!« rief Lawson, indem er dem Fliehenden durch den Schnee nachtaumelte. Buk und Bright liefen, von den andern Hunden gefolgt, an ihm vorbei und holten den Mörder schnell ein.
    Es gab keinen vernünftigen Grund für die beiden Männer, dies zu tun, keinen vernünftigen Grund für Jan, fortzulaufen, keinen vernünftigen Grund für sie, ihn daran zu hindern. Nach der einen Seite dehnten sich die öden Schneefelder aus; nach der andern erstreckte sich das zugefrorene Meer. Ohne Nahrung und Unterschlupf konnte er nicht weit kommen. Sie brauchten nur zu warten, bis er zum Zelt zurückkam, was er notgedrungen tun mußte, wenn Kälte und Hunger ihn übermannten. Aber diese Männer ließen sich nicht die Zeit, nachzudenken. Sie waren alle ein bißchen übergeschnappt. Außerdem war Blut vergossen, und der Blutdurst hatte sie heftig und brennend erfaßt. »Die Rache ist mein«, sagt der Herr, aber er sagt es unter einem milderen Himmel, wo die warme Sonne den Menschen die Energie stiehlt. Im Nordlande haben sie die Entdeckung gemacht, daß das Gebet nur hilft, wenn man Muskeln hat, um es zu unterstützen, und man ist gewohnt, sich selbst zu helfen. Gott ist allgegenwärtig, heißt es, aber ein halbes Jahr lang wirft er einen Schatten über das Land, so daß man ihn nicht finden kann, und deshalb tasten die Menschen im Finstern herum, und man darf sich nicht wundern, wenn sie oft zweifeln und meinen, daß etwas an den zehn Geboten nicht stimmt.
    Jan lief blindlings drauflos, ohne zu sehen, wo er seine Füße hinsetzte, denn er war nur von dem Zeitwort »leben« besessen. Leben! Weiterleben! Buk flog wie ein graues Flimmern durch die Luft, bekam ihn aber nicht zu fassen. Der Mann trat wie rasend nach ihm und stolperte. Da schlossen sich Brights weiße Zähne über seiner Mackinaw-Jacke, und er stürzte kopfüber in den Schnee. Leben! Weiterleben! Er kämpfte toller als je in einem wogenden Wirrwarr von Männern und Hunden. Mit seiner Linken packte er einen Wolfshund im Nacken, während er den Arm Lawson um den Hals schlang. Jedesmal, wenn der Hund eine schnelle

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