Der Gott seiner Vaeter
sich einmal erhob und aufmerksam die Schlittenspur entlangblickte, wurde Cardegee sehr ängstlich, aber der Hundeschlitten befand sich gerade auf einer Strecke, die parallel mit einer Eisstauung lief, und er blieb daher außer Sicht, bis die Gefahr überstanden war.
»Ich will dich dafür hängen sehen«, drohte Cardegee, um die Aufmerksamkeit des andern auf sich zu lenken. »Und du wirst dafür in der Hölle schmoren – ja, das kannst du mir glauben.«
»Sag mal«, rief er nach einer Pause, »glaubst du an Gespenster?« Jacob Kent fuhr zusammen, und Cardegee, der sah, daß er auf der richtigen Fährte war, fuhr fort: »Weißt du, ein Gespenst darf einem Mann erscheinen, der sein Wort nicht hält, und du kannst mich nicht vor acht Glasen – ich meine vor zwölf Uhr – krepieren lassen, verstanden? Denn wenn du es tust, so kann es sein, daß ich dir erscheinen werde. Hörst du, eine Minute, eine Sekunde vor der Zeit – und ich erscheine dir – so wahr mir Gott helfe!«
Jacob Kent sah unschlüssig aus, wagte aber nichts zu sagen.
»Wie steht es mit deinem Chronometer? Wie ist deine Länge?
Wie kannst du wissen, daß deine Zwiebel richtig geht?« fuhr Cardegee fort, in der eitlen Hoffnung, seinen Henker um ein paar Minuten zu betrügen. »Richtest du dich nach der Zeit der Polizei oder nach der der Company? Denn wenn du’s auch nur eine Sekunde vor zwölf tust, so kriegst du nie Frieden vor mir, das sage ich dir im voraus. Ich komme wieder, und wenn du nicht genau weißt, wie spät es ist, wie kannst du dann sicher sein? Ich frage dich, wie kannst du sicher sein?«
»Ich werde schon aufpassen«, antwortete Jacob Kent. »Ich habe eine Sonnenuhr hier.«
»Quatsch! Der Kompaß hat zweiunddreißig Grad Deklination.«
»Die sind genau vermerkt.«
»Wie hast du das gemacht? Nach dem Kompaß?«
»Nee, nach dem Nordstern.«
»Ist das genau?«
»Vollkommen.«
Cardegee stöhnte und warf einen verstohlenen Blick auf die Schlittenspur. Der Schlitten hatte jetzt einen Hang erreicht, er war kaum noch zwei Kilometer entfernt, und die Hunde liefen in vollem Trabe, leicht und ohne Anstrengung.
»Wie weit sind die Schatten noch von der Linie entfernt?«
Kent trat an die primitive Uhr und studierte sie. »Drei Zoll«, erklärte er nach sorgfältiger Untersuchung.
»Sag mal, du wirst doch wohl acht Glasen rufen, ehe du schießt, nicht wahr?«
Kent bejahte es und versank wieder in Schweigen; die Riemen um Cardegees Handgelenke dehnten sich langsam, und er bekam schon allmählich die Hände frei.
»Sag, wie weit sind die Schatten jetzt?«
»Einen Zoll.«
Der Seemann machte eine leichte Drehung, um sicher zu sein, daß er im rechten Augenblick in das Loch fallen konnte, und schob sich gleichzeitig die erste Schlinge über die Hände.
»Einen halben Zoll.« In diesem Augenblick hörte Kent das knirschende Geräusch von Schlittenkufen und wandte sich der Schlittenspur zu. Der Mann, der dort angefahren kam, lag bäuchlings auf dem Schlitten, und die Hunde flogen die gerade Strecke zur Hütte heran. Kent drehte sich hastig um und hob sein Gewehr an die Schulter.
»Es ist noch nicht acht Glasen!« wandte Cardegee ein. »Und ich werde dir erscheinen – verlaß dich drauf.«
Jacob Kent bedachte sich. Er stand neben der Sonnenuhr, vielleicht zehn Schritt von seinem Opfer. Der Mann auf dem Schlitten mußte gesehen haben, daß etwas Ungewöhnliches im Gange war, denn er erhob sich auf die Knie und peitschte wie toll auf seine Hunde los.
Die Schatten erreichten die Linie, und Kent blickte den Lauf entlang.
»Bist du bereit?« sagte er feierlich. »Acht Gl – «
Aber den Bruchteil einer Sekunde zu früh war Cardegee rücklings in das Loch gerollt. Kent nahm den Finger vom Drücker und lief hin.
Päng! Die Büchse explodierte dem Seemann, der sich erhob, mitten ins Gesicht. Aber es kam kein Rauch aus der Mündung, dagegen eine mächtige Flamme in der Nähe des Kolbens, und Jacob Kent fiel. Die Hunde stürzten den Hang herauf, schleppten den Schlitten über ihn hinweg, und der Fahrer sprang im selben Augenblick ab, als Cardegee seine Hände frei bekam und aus dem Loch kletterte.
»Jim!« Der andere kannte ihn. »Was ist hier los?«
»Was los ist? Ach, nichts, das sind nur Kleinigkeiten, die ich für meine Gesundheit tue. Was los ist, du verfluchter Idiot? Was los ist, fragst du? Mach mir die Hände frei, oder ich zeig’ dir, was eine Schwarte ist! Ein bißchen schnell – wenn du nicht willst, daß ich ein Deck mit dir
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