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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Hügel, die den Hintergrund bildeten, und über allem der unendliche Mantel des Schnees.
    »Kein Baum, kein Felsen, keine Hütte, kein Telegraphenpfahl – nichts!« jammerte der Rote Bill. »Nichts, das kräftig und groß genug ist, um einen fünf Fuß großen Mann vom Boden zu heben. Ich gebe es auf.«
    Er warf einen gierigen Blick auf den Körperteil, der Kopf und Schultern Jans miteinander verband.
    »Ich gebe es auf«, wiederholte er traurig, zu Lawson gewandt. »Schmeiß den Strick weg. Es ist nie Gottes Wille gewesen, daß lebende Geschöpfe hier wohnen sollten – das ist die reine Wahrheit.«
    Jan grinste triumphierend. »Ich glaube, ich gehe ins Zelt und rauche eine Pfeife.«
    »Wenn man es so ansieht, hast du natürlich recht, Billy«, sagte Lawson. »Aber du bist ein Esel, und das kann man auch die reine Wahrheit nennen. Euch Landkrabben muß wohl erst ein Seemann zeigen, wie’s gemacht wird. Habt ihr je von einer großen Schere gehört? Dann sperrt gefälligst die Augen auf!«
    Der Seemann machte sich mit größter Hast an die Arbeit. Aus dem Gerumpel, das an der Stelle lag, wo sie im Herbst das Boot an Land gezogen hatten, suchte er ein paar lange Riemen hervor. Die band er fast im rechten Winkel dicht unter den Ruderblättern zusammen. Die Griffe steckte er in Löcher, die er durch den Schnee bis in den Sand getreten hatte. Am Schnittpunkt brachte er zwei Halteleinen an und befestigte das Ende der einen an einer Eisscholle am Ufer. Die andere Leine reichte er dem Roten Bill. »Hier, mein Sohn, nimm und laß sie auslaufen!«
    Und zu seinem Schrecken sah Jan, wie sein Galgen sich erhob. »Nein! Nein!« rief er schaudernd und hob die geballten Fäuste. »Das darf nicht sein! Ich lasse mich nicht hängen! Kommt, ihr Idioten! Ich verprügele euch alle wie einen. Ich mach einen Höllenspektakel! Ich weiß nicht, was ich tue! Ich will sterben, ehe ich mich hängen lasse!«
    Der Seemann ließ die beiden andern mit dem tollen Menschen ringen. Sie wälzten sich wie rasend auf dem Boden und rissen Schnee und Tundra auf; der wilde Kampf ritzte einen tragischen Bericht über menschliche Leidenschaften in die weiße Decke, die die Natur über die Erde gebreitet hatte. Von Zeit zu Zeit tauchten Jans Hände und Füße aus dem Chaos auf, bis Lawson sie zu fassen bekam und mit Kabelgarn band. Um sich tretend, rasend, furchtbare Flüche ausstoßend, wurde er Zoll für Zoll besiegt und gefesselt und dann zu der Stelle geschleppt, wo die unerbittliche Schere wie ein riesiger Zirkel auf dem Schnee lag. Der Rote Bill legte ihm die Schlinge um den Hals, daß der Knoten gerade unter dem linken Ohr saß. Taylor und Lawson stellten sich an die Halteseile, bereit, den Galgen auf das Kommando hochzuziehen. Bill zögerte einen Augenblick und betrachtete sein Werk mit echter Künstlerfreude.
    »Herr Gott! Seht dort!«
    Das Entsetzen in Jans Stimme ließ die andern innehalten.
    Das zusammengestürzte Zelt hatte sich erhoben, und in der zunehmenden Dämmerung focht es mit gespensterhaften Armen und taumelte auf sie zu wie ein Trunkener. Aber im nächsten Augenblick fand John Gordon die Öffnung und kroch hervor.
    »Teufel, was –!« Er unterbrach sich, denn mit einem einzigen Blick erfaßte er die Situation.
    »Wartet ein bißchen! Ich bin nicht tot!« rief er dann, indem er sich zornig der Gruppe näherte.
    »Gestatten Sie mir, Herr Gordon, Ihnen zu gratulieren, daß Sie so gut davongekommen sind«, sagte Taylor unsicher, »aber es wäre beinahe schiefgegangen. Es war verdammt nahe dabei!«
    »Ich hätte ja gestorben und verfault sein können, ohne daß ihr euch darum gekümmert hättet – ihr verfluchten – «, worauf John Gordon seinen Gefühlen in einem kräftigen Strom konzentrierter wütender Schimpfworte, untermischt mit einer Serie von Flüchen, Luft machte.
    »Hat mich nur betäubt«, fuhr er fort, als er ausgetobt hatte. »Hast du nie einen Ochsen betäubt gesehen, Taylor?«
    »Ja, manches liebe Mal im Lande Gottes.«
    »Na also. Und so ging es mir auch. Die Kugel streifte mich zwischen Hirnschale und Halswirbel. Das lähmte mich eine Weile, aber es ist kein Schaden geschehen.« Dann wandte er sich zu dem Gefesselten. »Steh auf, Jan! Und wenn du dich nicht bei mir entschuldigst, verbleue ich dich, daß du dich nicht mehr rühren kannst. Ihr andern macht ein bißchen Platz.«
    »Ich denke nicht daran. Laßt mich los, und ihr werdet sehen«, antwortete Jan, der Unverbesserliche, denn der Teufel in ihm war immer noch

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