Der Gott seiner Vaeter
Geständnis abzulegen. Mit ihrer freien Hand zog sie seinen Kopf an ihre Schulter, und der Duft ihres Haares berauschte ihn. Da bemerkte er, daß dieselbe Ader pochte – dort, wo ihre Handflächen sich berührten. Dies Phänomen ist sehr verständlich vom physiologischen Standpunkt aus, aber für den Mann, der es zum erstenmal entdeckt, ist es etwas höchst Wunderbares. Floyd Vanderlip hatte mehr Spatenschäfte als Frauenhände geliebkost, so daß es ihm etwas gänzlich Neues und wundersam Fremdartiges war. Und als Freda den Kopf drehte, der an seiner Schulter lag, während ihr Haar seine Wange berührte, und er ihr so dicht in die Augen, in die strahlend sanften, ja, und zärtlichen Augen blickte – ja, wessen Fehler war es, daß er ganz die Gewalt über sich verlor? Untreu gegen Flossie – warum dann nicht gegen Loraine? Wenn die Frauen ihn auch noch so plagten, so war das doch kein Grund für ihn, seine Entschlüsse zu überstürzen. Er hatte ja Ozeane von Geld, und Freda war eben eine von denen, die es mit Anstand ausgeben konnten. Sie war eine Frau, um die die Männer ihn beneiden würden. Aber langsam – er mußte vorsichtig sein.
»Du machst dir wohl nicht zufällig etwas aus Schlössern, nicht wahr?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nun ja, ich war selbst ganz versessen darauf, bis ich nachdachte, und jetzt bin ich ungefähr zu dem Resultat gekommen, daß das Leben in Schlössern einen fett, weichlich und faul macht.«
»Es kann ja sehr hübsch sein, aber ich glaube, daß man es bald satt bekommt«, sagte sie schnell, um ihn zu beruhigen. »Die Welt ist herrlich, aber das Leben muß so vielseitig wie möglich sein. Man sollte umherstreifen und schwere Zeiten haben, um sich dann irgendwo so recht auszuruhen. In einer Jacht nach der Südsee; dann ein kleiner Abstecher nach Paris, ein Winter in Südamerika, ein Sommer in Norwegen, ein paar Monate in England – «
»Gute Gesellschaft?«
»Selbstverständlich – die allerbeste; und dann, hei, fort zu Hunden und Schlitten und dem Lande an der Hudson-Bucht, Veränderung, verstehst du? Ein starker Mann wie du, voll von Lebenskraft und Energie, könnte es nicht ein Jahr in einem Palast aushalten. Das mag alles gut sein für weibische Männer, aber du bist nicht für ein solches Leben geschaffen. Du bist so männlich – so ausgesprochen männlich.«
»Findest du?«
»Da gibt es nichts zu finden. Ich weiß es. Hast du nie bemerkt, wie sehr du den Frauen gefällst?«
Seine zweifelnde unschuldige Miene war großartig.
»Das ist sehr einfach. Und warum? Weil du so männlich bist. Du schlägst die tiefsten Saiten im Herzen einer Frau an. Du bist ein Mann, an den man sich klammern kann – kräftig, stark und tapfer. Kurz, weil du ein Mann bist.«
Sie sah auf die Uhr. Es war jetzt halb eins. Sie hatte Sitka Charley eine halbe Stunde Zeit gelassen, und jetzt war es gleichgültig, wann Devereaux kam. Sie hatte ihre Aufgabe verrichtet. Sie hob den Kopf und lachte, ein überlegenes Lachen, das aus dem Herzen kam, zog die Hand zurück, erhob sich und rief das Mädchen.
»Alice, wollen Sie Herrn Vanderlip in seine Parka helfen. Seine Fäustlinge liegen auf dem Bord neben dem Ofen.«
Der Mann starrte sie an, ohne zu begreifen.
»Darf ich dir für deine Freundlichkeit danken, Floyd? Deine Zeit war unschätzbar für mich. Und es war wirklich nett von dir. Der erste Weg links, wenn du aus der Hütte kommst, führt am schnellsten zum Wasserloch. Gute Nacht! Jetzt gehe ich zu Bett.«
Floyd Vanderlip wollte einen starken Ausdruck gebrauchen, um seine Verblüffung und Enttäuschung auszudrücken. Alice mochte keine Männer fluchen hören, sie warf seine Parka auf den Fußboden und seine Fäustlinge obendrauf. Als er dann Freda nachlief, verdarb sie sich den Rückzug in die Hinterstube, indem sie über die Parka stolperte. Durch einen brutalen Griff ums Handgelenk zwang er sie stillzustehen. Aber sie lachte nur. Sie fürchtete sich nicht vor Männern. Waren sie nicht so schlecht zu ihr gewesen, wie sie nur sein konnten, und lebte sie nicht immer noch?
»Werde nicht brutal«, sagte sie schließlich. »Wenn ich es recht bedenke«, hier besah sie seine Hand, die sie immer noch festhielt, »so will ich doch nicht gleich zu Bett gehen. Setz dich hin und sei lieber gemütlich, statt lächerlich zu sein. Willst du etwas wissen?«
»Ja, meine Gnädige, wir haben miteinander abzurechnen.« Er ließ sie nicht los. »Was weißt du vom Wasserloch? Was meintest du mit – nein,
Weitere Kostenlose Bücher