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Der Gott seiner Vaeter

Der Gott seiner Vaeter

Titel: Der Gott seiner Vaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Maske ab und beugte den Kopf zu einem Gruß.
    Wieder betrachteten sich die beiden Frauen in einer Sekunde, die wie eine Ewigkeit war. Die eine mit flammenden Augen, ein Meteor in dieser Umgebung; bereit, Trotz zu bieten und auszubrechen; eine Frau, die im voraus den Hohn und die Kränkung litt, denen sie sich ausgesetzt hatte, ein schöner, flammender, kochender Lavakegel von Fleisch und Geist. Und die andere, gleichmütig, mit ruhigen Augen und kaltem Urteil; stark in ihrer eigenen Unverletzlichkeit und dem Glauben an sich, Herrin der Situation, leidenschaftslos, nicht aus der Ruhe zu bringen; eine Gestalt, wie in kaltem Marmor gehauen. Welche Kluft auch zwischen ihnen sein mochte, so anerkannte sie sie nicht. Für sie gab es keine Brücke zu schlagen oder hinabzusteigen, ihre Haltung war die gegenüber ihresgleichen. Sie stand ruhig auf dem gemeinsamen Boden – dem, daß sie beide Frauen waren. Und das machte Freda rasend. Das würde nicht geschehen sein, wenn sie aus geringerem Stoff gemacht gewesen, aber ihre Seele kannte nicht das Bodenlose, sie konnte der andern in die tiefste Tiefe folgen, sie verstand vollauf, was sich in ihr regte.
    »Warum ziehen Sie nicht den Saum Ihres Kleides von mir zurück?« hätte sie am liebsten in dieser kurzen, blendenden Sekunde gerufen. »Speien Sie mich an, verleumden Sie mich, und es wäre barmherziger gegen mich als dieses.« Ihre Nasenflügel zitterten. Aber sie hielt an sich, grüßte wieder und wandte sich zu dem Mann.
    »Komm mit, Floyd«, sagte sie. »Ich will mit dir reden.«
    »Was zum – « sprudelte er, hielt aber ebenso plötzlich mitten im Ausbruch inne, denn er war doch wenigstens klug genug, nicht weiter zu gehen. Wo, zum Teufel, war übrigens sein Verstand geblieben? Hatte je ein Mann sich in einer blöderen Lage befunden? Er stieß einen gurgelnden Laut aus, wie tief aus der Kehle, hob in seiner Unentschlossenheit die Schultern und sah beide Frauen flehend an.
    »Verzeihen Sie einen Augenblick – aber vielleicht darf ich zuerst ein paar Worte mit Herrn Vanderlip sprechen?« Frau Eppingwells Stimme, die gedämpft und glockenrein war, verriet in jedem Tonfall ihre Willenskraft.
    Der Mann machte ein dankbares Gesicht. Er fügte sich ihr jedenfalls gern.
    »Es tut mir sehr leid«, sagte Freda. »Dazu ist keine Zeit. Er muß gleich mitkommen.« Sie drückte sich ohne Anstrengung in diesen konventionellen Wendungen aus, belustigte sich aber innerlich über ihre Unzulänglichkeit und Leere. Lieber hätte sie laut geschrien.
    »Aber Fräulein Moloof, wer sind Sie, daß Sie derart über Herrn Vanderlip verfügen können?«
    Worauf das Gesicht des Mannes sich erleichtert aufklärte und er beifällig lächelte.
    Ja, Frau Eppingwell zog ihn schon aus der Patsche. Diesmal hatte Freda ihren Meister gefunden.
    »Ich – ich – « Freda zögerte, dann aber rüstete sie sich auf echte Frauenart – »und wer sind Sie, daß Sie mir diese Frage stellen?«
    »Ich? Ich bin Frau Eppingwell und – «
    »Da sehen Sie!« fiel ihr die andere scharf ins Wort. »Sie sind mit einem Hauptmann verheiratet, der folglich Ihr Mann ist. Ich bin nur eine Tänzerin. Was wollen Sie von diesem Mann?«
    »Welch ein Benehmen – unerhört!« Frau McFee blähte sich und schickte sich an, ins Feld zu rücken, aber Frau Eppingwell schloß ihr den Mund mit einem Blick und machte einen neuen Angriff.
    »Da Fräulein Moloof Forderungen an Sie zu haben scheint, Herr Vanderlip, und keine Zeit hat, mir ein paar Sekunden zu schenken, bin ich gezwungen, mich direkt an Sie zu wenden. Kann ich Sie sprechen, allein – und zwar gleich.«
    Frau McFee schloß hörbar den Mund. Jetzt war die unpassende Situation doch aus der Welt gebracht.
    »Ja – gewiß – « stöhnte der Mann. »Selbstverständlich, selbstverständlich«, und die Aussicht auf Befreiung machte ihn gleich mitteilsamer.
    Die Männer sind nur gesellige, gezähmte und entwickelte Wirbeltiere, und aller Wahrscheinlichkeit nach wäre die Griechin seinerzeit mit wilderen Männchen des Menschengeschlechts fertig geworden, denn sie wandte sich mit aller Höllenglut in ihren leuchtenden Augen gegen den Mann, ungefähr wie eine Tierbändigerin sich zu einem Löwen wenden kann, der plötzlich von der höchst schädlichen Idee besessen ist, daß er einen freien Willen hat. Das Tier in ihm kroch vor der Peitsche. »Ja, gern, aber morgen. Morgen, Frau Eppingwell, ja, morgen. Das war es eben, was ich meinte.« Er tröstete sich damit, daß ihm, wenn er

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