Der Gott von Tarot
nicht bloße Rhetorik von ihr; einmal berührte ihre Hand leicht die Tarotkarten, nun umklammerte sie das Kreuz. Er hatte sie noch niemals so aufgeregt gesehen. Es war, als habe sie verwerfliche Vorstellungen und nicht er. „Wir alle gehen dorthin, wo wir gebraucht werden“, sagte er.
„Aber einige sind stärker als andere“, murmelte die Priesterin, und ihr Blick hob sich, um seinem zu begegnen. Ihr Gesicht war tödlich ernst. Was konnte sie damit meinen? „Ich schicke dich in die Hölle, Bruder.“
Bruder Paul lächelte nicht. Noch niemals hatte er von ihr solche Worte vernommen! Natürlich fluchte sie nicht, das würde sie niemals tun. Wenn sie Hölle sagte, wußte man, was sie meinte, ebenso wie beim Tarotspiel. Sie meinte das Reich des Teufels. „Bildlich gesprochen, vermute ich?“
„Wörtlich, Paul. Und die Rückkehr wird schwerer sein als die Hinreise.“
„Das wird wohl so sein. Besonders, wenn es notwendig sein sollte, zuerst zu sterben.“ War er nun unverschämt, wenn er andeutete, er würde vom Tode auferstehen wie Jesus? Das hatte er nicht gewollt.
Sie lächelte nicht. „Nein. Wie Dante wirst du lebendiger Besucher sein. Vielleicht wirst du auch den Himmel sehen.“
„Ich glaube, dazu bin ich nicht bereit.“ Dieses Mal war er absolut ernst. Vor dem Himmel besaß er mehr Ehrfurcht als vor der Hölle. Das war wohl eine wirklich außergewöhnliche Sache, die sie nun beschrieb.
Nervös schüttelte die Priesterin den Kopf, so daß man für einen Moment eines ihrer Ohrläppchen sehen konnte wie ein verbotenes Körperteil. „Ich bin zwischen den Säulen von Gut und Böse gefangen, und ich kann sie nicht mehr auseinanderhalten.“ Sie wandte sich von ihm ab; er hatte noch nicht gemerkt, daß sie auf einem Drehstuhl saß. „Paul, es ist meine Pflicht, dir dies als deine zukünftige Mission vorzustellen – aber wenn ich als Schwester, als Freundin zu dir rede, dann muß ich dich dazu drängen, diese Aufgabe abzulehnen. Nicht nur, daß ich traurig wäre, dich nie wiederzusehen – wenn ich auch aus keinem erfindlichen Grund Angst davor habe –, sondern, weil diese Mission der absolute Horror ist. Horror!“
„Jetzt werde ich aber neugierig“, sagte Bruder Paul, und seine Spannung nahm ab, während ihre zunahm. „Kann ich mehr darüber erfahren?“
„Soviel, wie wir auch wissen“, antwortete sie. „Man hat uns gebeten, unseren am besten qualifizierten Vertreter zum Planeten Tarot zu schicken, um dessen Gottheit zu bewerten. Einen starken Mann, nicht zu alt, nicht zu einseitig einer bestimmten Ideologie ergeben, klug und mit ausgeprägtem Objektivismus. Du scheinst uns dieser Mann zu sein.“
Bruder Paul ignorierte das Kompliment, weil er wußte, es war nicht als solches gemeint. „Planet Tarot?“
„Wie du weißt, hat die Erde während des gegenwärtigen Materieübertragungsprogramms an die tausend bewohnbare Welten kolonisiert. Eine davon heißt Tarot, und dort gibt es ein Problem.“
„Hölle, habt Ihr gesagt. Ich hatte gedacht, man habe Kolonisten nicht in unfreundliche Gegenden geschickt? Wenn dieser Planet so höllisch ist …“
„Ich habe nicht höllisch gesagt, Paul. Ich habe Hölle gesagt. Und der Weg dorthin …“
„Oh, ich verstehe. Er hat bewohnbar ausgesehen bei den Voruntersuchungen.“
„Die Untersuchenden müssen stark übertrieben haben. Wie sie dazu kamen, diesen Planeten so einzustufen …“ Die Mutter Oberin machte eine fragende Handbewegung. „Schon der Name …“
„Ja, das macht mich auch neugierig. Die meisten der Namen zielen auf Verständlichkeit. ‚Eroberung’, ‚Wiesenland’, ‚Zephyr’ – wie sind sie bloß auf Tarot gekommen?“
„Vermutlich hatte ein Mitglied der
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