Der Gott von Tarot
Missionars in Deutschland hatte einen so klugen Kopf und war offensichtlich so fromm, daß man sie als Johannes VII. auf den Papstthron hob. Trotz der Verkleidung als Mann blieb sie – ach – doch eine Frau und daher ein Pfuhl des Frevels. Sie unterlag ihren niederen weiblichen Trieben, ließ ein Mitglied ihres Haushaltes zu sich ins Bett und erlitt somit die dämonische Erfüllung ihres Geschlechts. Im Jahre 707, während einer feierlichen Pfingstprozession durch die Straßen Roms in Begleitung der Priesterschaft, entband man die als Päpstin Johanna bekannt gewordene Frau an einer Stelle zwischen Kolosseum und der Kirche des Heiligen Clemens von einem Bastardsohn. So verriet sich diese Päpstin als Hure in Männerkleidern. Natürlich hat die Kirche diese Geschichte unterdrückt und als Mythos deklariert, aber es gibt Leute, die sich noch daran erinnern. Dies ist der Inhalt des Zweiten Schlüssels des Tarot, welcher heißt: Die Päpstin. Ist es nicht immerhin eine wahrhaftige Spiegelung der Natur der Geschlechter?
Bruder Paul ging an den üppigen Gemüsegärten der Station vorbei auf das Büro von Hochwürden zu. Es war ein schöner Sommertag. Er hoffte, er habe sich gut betragen, doch beim Gehen summte er nervös vor sich hin.
Der Anblick der Miene von Hochwürden verstärkte seine Zweifel. Irgend etwas sehr Wichtiges schien im Schwange zu sein, und er befürchtete, wieder gefehlt zu haben. Da die Disziplin innerhalb des Ordens sehr streng war, beging Bruder Paul zahlreiche Fehler und hatte bereits eine Reihe von Strafen erhalten.
Bei seinem Eintritt erhob sich Hochwürden und kam auf Paul zu, um ihn zu begrüßen. „Es ist gut, dich zu sehen, Paul. Du hast dich gut entwickelt.“
Das hörte sich gut an! Dieses Mal ging es also nicht um irgendwelche Vergehen. „Ich tue, was mir der Herr befiehlt, Mutter Maria“, sagte er bescheiden und verbarg seine Erleichterung.
„Mmm“, stimmte die Priestermutter zu. Sie setzte sich nicht wieder hin, sondern schritt unruhig im Büro auf und ab. „Paul, vor uns liegt eine kritische Entscheidung, und ich muß etwas tun, was mir nicht behagt. Vergib mir.“
Ganz gewiß lag etwas sehr Schlimmes in der Luft. Paul dachte nach, bevor er eine Antwort gab, und versuchte, eine angemessene Erwiderung zu finden.
Die Priestermutter war übrigens eine junge Frau, kaum älter als er selber, deren makellose Ordenstracht weder ihre weiblichen Attribute verbarg noch sie geschlechtslos wirken ließ. Das dunkelbraune Haar trug sie in der Mitte gescheitelt; es war über die Ohren gestrichen, um diese zu verbergen, und im Nacken fest zusammengesteckt – doch es umrahmte ihr Gesicht wie eine mystische Aura. Der umgebogene Kragen umschloß einen schlanken, weißen Hals, und das Kreuz hing zwischen ihren Brüsten. Das Kleid war so lang, daß es den Boden berührte und ihre Füße verbarg. Gelegentlich bauschte es sich beim Gehen, und sie zog den Saum hinter sich her. Ihr Charakter, das wußte er, war freundlich und offen. Nur wenn es absolut notwendig war, wurde sie streng. Es wäre nur allzu leicht gewesen, sie als hübsches Mädchen zu lieben, wenn es nicht wichtig gewesen wäre, sie als verantwortliche Frau und weiblichen Mitmenschen zu verehren. Und natürlich als Priesterin.
Daher schien es das Beste, ihr zu gestatten, ohne Rücksicht auf seine Gefühle ihr Herz auszuschütten, und leicht konnte man ihn ohnehin nicht verletzen. Offensichtlich war sie der Meinung, was sie zu sagen hatte, würde ihn betreffen, und vielleicht würde es das auch – aber er war sicher, es aushalten zu können. „Bitte redet frei, Mutter.“
Die Oberin trat an ihren Schreibtisch und schien sich dort fast auf etwas zu stürzen. „Bitte, nimm
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