Der Gott von Tarot
Untersuchungskommission ein Tarotspiel dabei. Und während der Mann im Basislager auf die Rückkehr seiner Kollegen wartete, hat er sich die Karten für die Zukunft gelegt. Und …“ Sie hielt inne.
„Und irgend etwas ist geschehen?“
„Ja, gewiß. Er … die Karte … das Bild auf einer seiner Karten nahm Gestalt an. Dreidimensional und lebendig.“
Bruder Pauls Interesse vertiefte sich. Er kannte sich aus mit Taschenspielertricks und halluzinatorischen Phänomenen. „Hatte er eine Droge geschluckt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Sie behaupten, nein. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Pilze, kein Leim, kein Pflanzenextrakt. Daher hat er sich überhaupt mit den Karten beschäftigt. Und die anderen Teilnehmer der Gruppe haben die Lebendigwerdung ebenfalls beobachtet.“
„Also keine Halluzination. Aber vielleicht ein praktischer Scherz?“
„Nein, auch kein Scherz.“
„Welche Karte war es?“
„Schwert-Zehn.“
Bruder Paul hätte fast durch die Zähne gepfiffen, beschränkte sich aber auf ein ernstes Nicken. „Deutet auf Ruin hin. War es ein richtiges Bild?“
„Ja. Zehn lange Schwerter durchbohren einen Leichnam. Alles war richtig plastisch.“
„Das hat die Gruppe aber ganz schön in Aufregung versetzt!“
„Sicher. Sie zogen die Schwerter heraus und drehten den Körper herum. Es war ein Mann, aber niemand, den sie kannten. Auch fehlte niemand aus der Mannschaft. Sie haben ihn begraben, die Schwerter behalten und einen Bericht geschrieben.“
„Solide Beweise. Das war aber clever.“
„So clever nun doch nicht. Als sie auf der Erde ankamen, sahen die Objekte, die sie für Schwerter hielten, exakt so wie viele Steinsäulen, wie Stalaktiten aus einer Höhle aus. Eine zweite Gruppe, die man hinschickte, um die Leiche auszugraben und die Situation zu klären, fand lediglich die Karkasse eines dort lebenden Tieres.“
„Massenhalluzination?“ schlug Bruder Paul vor. „Sie haben ein Tier getötet und es für einen Menschen gehalten. Vielleicht aus Erschöpfung oder Schuld … oder weil die Situation Ähnlichkeit mit dieser bestimmten Karte hatte? Stalaktiten sind Schwertern nicht unähnlich.“
„Das war die offizielle Schlußfolgerung.“ Sie hielt inne, riß sich dann aber zusammen, um fortzufahren. „Die zweite Gruppe nahm ebenfalls Tarotkarten mit und spielte häufig damit, dieses Mal als Hauptbeschäftigung, aber die Szene hat sich nicht wiederholt. Offensichtlich war die erste Mannschaft überarbeitet und unausgeschlafen gewesen, während die zweite frisch war. Sie haben also den Planeten Tarot genannt und ihn für die Kolonisation freigegeben.“
„Einfach so?“ fragte Bruder Paul und zog dabei eine Braue hoch.
„Einfach so“, antwortete die Oberin trocken und vergaß sich soweit, daß sie ebenfalls eine Augenbraue hochzog. „Sie hatten eine bestimmte Quote von Planeten zur Untersuchung und konnten es sich nicht leisten, Zeit mit wilder Geisterjagd zu vergeuden, wie sie es nannten. So haben sie es begründet.“
„Wieviel doch durch Hast verlorengeht“, bemerkte Bruder Paul. Er verspürte wachsende Aufregung und Dankbarkeit, daß sich ein solches Geheimnis zugetragen hatte. Wilde Geister! So etwas würde er gern einmal sehen!
„Die Kolonisierung verlief normal“, fuhr sie fort. „Innerhalb von vierzig Tagen hat man eine Million Menschen dorthin verfrachtet, mit Überlebensausrüstung in Anfangslager aufgeteilt und sie dann ihrem Schicksal überlassen. Nur der monatliche Fährverkehr hielt den Kontakt aufrecht. Kolonisierung ist so etwas“, sagte sie mit mißbilligendem Stirnrunzeln, „wie jemanden ins Wasser werfen, damit er schwimmen
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