Der Gott von Tarot
hier“, sagte er. „Besonders, wo diese Erscheinungen vorkommen.“
„Das werden wir Ihnen morgen zeigen. Die Erscheinungen finden überall statt, kommen aber allgemein in der drei Kilometer von hier im Norden liegenden Oase vor. Wir müssen eine Begleitung für Sie auswählen.“
„Oh, das brauche ich nicht …“
„Uns liegt Ihre Sicherheit am Herzen, Bruder Paul. Wenn Sie durch eine Erscheinung sterben, wie so viele, dann würden wir um unsere Antwort gebracht und stünden auf der Erde in schlechtem Ruf.“
Ernüchternde Gedanken! Die Ehrwürdige Mutter Maria hatte ihn gewarnt, daß die religiösen Wissenschaftler entweder den Verstand verloren hatten oder bei der Erforschung des Phänomens gestorben waren; hier war die Bestätigung. Doch er protestierte weiter. „Ich möchte Sie nicht in Verruf bringen, aber …“
Er wurde durch Siltz’ kurzes, schnaubendes Lachen unterbrochen bei der Erwähnung, daß ihm der Ruf des Planeten wichtiger sei als sein Leben. „Ich hätte gedacht, daß Raubtiere die Erscheinungen meiden?“
„Das tun sie auch. Aber wer schützt Sie vor den Erscheinungen selber?“
„Wie ich es bislang verstanden habe, handelt es sich bloß um bestätigte Visionen – sichtbare Phantasie. Es gibt natürlich keine physischen …“
Nachdrücklich schüttelte Pfarrer Siltz den Kopf. „Sie sind aber körperlich! Und es wird ein körperlicher Gott sein, auf den Sie stoßen, ob er nun Gültigkeit hat oder nicht. Sie werden schon sehen.“
Körperliche Imagination? Irgend etwas war hier sehr verworren. Natürlich war das bei seiner Unterrichtung auf der Erde schon angeklungen, aber er hatte dazu geneigt, derartige Bemerkungen als Übertreibungen abzutun. „Ich fürchte, ich …“
Der Pfarrer hob eine Hand. „Das werden Sie schon rechtzeitig für sich selber herausfinden. Ich will den Geist des Vertrages nicht verletzen, wenn ich ihn dem Buchstaben nach auch schon, wie ich fürchte, kompromittiert habe. Nun müssen wir gehen, ehe der Sturm kommt.“
Als der Mann die letzten Worte aussprach, hörte Bruder Paul mächtiges Donnern. „Wohin gehen wir?“
„Zum gemeinsamen Mittagessen. Das ist praktischer, als wenn jeder zu Hause kocht, und bedeutet auch eine gerechtere Verteilung der Nahrungsmittel. Daher organisieren wir das im Sommer so.“ Natürlich mußte ein Kommunist das so empfinden! „Sturmzeit ist gute Essenszeit, da wir ohnehin nicht draußen arbeiten können.“
„Ihre Frau – kommt sie nicht mit?“
„Nein. Sie ißt bei einer anderen Schicht, wie auch mein Sohn. Während Ihres Aufenthaltes hat man mich von der Arbeit befreit; meine Arbeit besteht darin, mich um Sie zu kümmern. Nun muß ich dafür sorgen, daß Sie anständig zu essen bekommen. Kommen Sie, ich habe schon zu lange gewartet. Ich vernachlässige meine Verantwortlichkeiten. Wir müssen uns beeilen.“
Sie eilten hinaus. Draußen sah Bruder Paul die aufgetürmten drohenden Wolken vom See im Osten herantreiben, so dicht, daß sie wie Lavablasen am Himmel aussahen. Durch irgendeine Eigenart des Klimas hier kam der Wind im rechten Winkel dazu aus dem Norden, und es sah so aus, als fiele der Regen schon auf das Weizenfeld im Westen. Die Wolken waren also die einzig sichtbaren Boten des Sturms; die ersten Böen überfielen schon das Dorf. Und jetzt sah er auch bunte Blitze – Tarotblasen, die vor dem Wind hergetrieben wurden, rasch zerplatzten, aber so zahlreich waren, daß sie den Himmel schmückten. Was für eine hübsche Sache!
„Zu spät!“ sagte Pfarrer Siltz. „Aber ich gelte als nachlässig, wenn ich Sie nicht zu den anderen bringe. Wir werden die Becher benützen müssen.“
„Ich kann ein bißchen Regen gut aushalten“, sagte
Weitere Kostenlose Bücher