Der Gott von Tarot
ihren offensichtlichen Fetischismus aus. Auf der Erde brauchten die Menschen zum Überleben Wasser, und frisches Wasser war selten, und dennoch wurde es nicht verehrt. „Das ist meine Mission, so anmaßend es auch klingen mag. Ich vermute, Sie schätzen sie nicht sehr.“
Beunruhigt blickte Siltz von seiner Weberei auf. „Habe ich das gesagt?“
„Nein, das ist nur mein Eindruck. Sie brauchen sich nicht mit mir darüber zu unterhalten, wenn Sie nicht wollen.“
„Ich würde mich sehr gern darüber unterhalten“, entgegnete Siltz. „Aber der Vertrag verbietet es. Wenn Ihnen meine Haltung dies vermittelt, dann bin ich kein anständiger Gastgeber und muß mich um ein anderes Quartier für Sie kümmern.“
Was sicherlich nicht sonderlich diplomatisch wäre! „Wahrscheinlich lasse ich mich von falschen Schlüssen leiten. Dafür muß ich mich entschuldigen“, sagte Bruder Paul.
„Nein, Sie sind ein intelligenter und sensibler Mensch. Ich werde versuchen, diese Frage anzugehen, ohne den Vertrag zu verletzen.
Ich habe in der Tat etwas gegen Ihre Gegenwart hier, aber das hat in keiner Weise etwas mit Ihrer Person oder Integrität zu tun. Ich glaube lediglich, es ist eine Frage, die nicht auf diese Weise beantwortet werden kann. Sie werden gewiß einen Gott entdecken, der Ihren persönlichen Vorstellungen entspricht, aber dessen Übereinstimmung mit dem wirklichen Gott zufällig sein kann. Ich hielte die Angelegenheit lieber ungeklärt, um nicht einen Irrtum als Ergebnis zu erhalten. Aber ich zähle da zur Minderheit. Man hat Sie herbeigerufen, und das Los, in seiner Weisheit, hat Sie in mein Haus geführt, wo ich Ihnen die Mission auf genau die Weise erleichtern werde, als ob ich sie unterstützte. Das verlangt mein Gott von mir.“
„Ich glaube, unsere Vorstellungen von Gott können nicht allzu weit auseinander liegen“, meinte Bruder Paul. „Ich finde Ihre Haltung völlig lobenswert. Aber lassen Sie mich einen Aspekt verdeutlichen: Die Erde hat mich hergeschickt, nicht die Kolonie Tarot. Wir auf der Erde sind daran interessiert, ob der Gott von Tarot echt oder der Phantasie von irgend jemandem entspringt. Auch wir auf der Erde passen darauf auf, daß nicht eine Person, die sich einer Sache verschrieben hat, dadurch blind gegenüber der Wahrheit wird, wie immer sie auch aussieht. Ich bezweifle, ob ich dieser Mission wert bin, doch ich habe fest vor, meine persönlichen Meinungen so weit wie möglich herauszuhalten, um jene Wahrheit zu sichern, wenn sie mir auch nicht gefällt. Ich finde nicht, daß ihr Kolonisten irgendeinen Teil meines Berichts akzeptieren müßt oder euer Leben dadurch beeinflussen lassen solltet. Ich bin in der Tat unsicher bezüglich Ihrer Hinweise auf die verschiedenen Götter. Gewiß gibt es nur einen einzigen Gott.“
Pfarrer Siltz lächelte traurig. „Indem Sie mich so beruhigen, bringen Sie mich an die Grenze meiner Kompromißbereitschaft. Ich muß Sie mit den Einzelheiten der religiösen Gebräuche hier vertraut machen und Sie bitten, großzügig gegenüber dem Mangel an Objektivität zu verfahren, wenn Sie einen solchen bemerken. Wir sind eine Kolonie der Schismata, von Splittersekten. Viele von uns waren sich über den wahren Charakter von Tarot im klaren, bevor wir von der Erde hierher wanderten, und ein jeder von uns sah darin die potentielle Realisierung von Gott – unserer jeweiligen, besonderen Vorstellung von Gott, wenn man so will. Das scheint jedenfalls auf die schwächsten Sekten den stärksten Reiz ausgeübt zu haben, zumindest auf die zahlenmäßig kleinsten. Daher wohnen hier nur wenige Katholiken, Mohammedaner, Buddhisten oder Konfuzianer, hingegen viele
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