Der Gottbettler: Roman (German Edition)
dieses Stück Leben, das der Mann mit sich herumgeschleppt hatte. Nun, im flackernden Schein des Feuers, sah sie, dass die Stoffbahnen mit Blut vollgesogen waren.
»Ein Kumpel«, sagte der Träger, ein Mann mit Strubbelbart, dessen Gesicht von Schweißkrusten überzogen war. »Hab ihn eine Weile getragen. Pirmen hat’s momentan nicht so mit dem Gehen.«
»Momentan?« Terca versuchte zu verstehen, was sie da sah. Sie wusste nicht, wo sie hinblicken sollte. Wo war der Anfang und wo das Ende dieses Wesens? Saß es, stand es, war es noch in einem Teil? Felle und Dutzende Tücher, allesamt schmutzig, voll Blut und Eiterkrusten, bedeckten es. Da waren Fliegen, Maden, Würmer und andere Tierchen, die sich zumeist von totem Fleisch ernährten. Sie quollen zwischen den Fell- und Stoffbahnen hervor, die Hitze des Feuers scheuend. Oder wichen die Kriecher vor ihr zurück?
»Töte mich!«, drang eine Stimme unter den Tüchern hervor. »Bitte.«
»Ich habe dich quer durchs Land geschleppt, kleiner Herr, hab mir tagelang dein Gejammer angehört, habe dir die Scheiße aus deinem dürren Hintern gewischt. Das habe ich bestimmt nicht alles auf mich genommen, damit du mir nun wegstirbst.« Der Bärtige nahm einen tiefen Schluck Wasser aus seiner Fellflasche. Er erholte sich bemerkenswert rasch. »Du wirst ihm helfen«, sagte er zu Terca, und im Klang seiner Stimme lag unverrückbare Gewissheit.
»Wie kommst du darauf, dass ich diesem … Etwas helfen könnte? Und warum glaubst du, dass ich es wollte?«
»Es wurde mir zugeflüstert.« Er verzog das Gesicht zu etwas, das man als Grinsen mit fünfeinhalb Zähnen deuten konnte. »Von einem elenden Katzenvieh, das stundenlang nicht von unserer Seite wich und uns unter allen Umständen hierherbringen wollte. Das Tier wirkte zwar ein wenig abgemagert, und hätte mir dieses Scheißland nicht schon längst die letzten Reste meines Verstandes aus dem Kopf gebrannt, wäre ich dieser Einladung niemals gefolgt. Aber du weißt ja, wie sie sind, die Katzen. Sie umschmeicheln dich und geben keine Ruhe. Und wenn man nicht tut, was sie von einem verlangen, dann kratzen sie einem die Haut vom Arsch.«
»So viel zum Schicksal«, murmelte Terca.
»Wie bitte?«
»Ach, nichts. Mein kleines Schoßtier hat dich nicht zufällig bis hierher begleitet?«
»Yankela meinte, sie hätte noch etwas zu erledigen«, antwortete der Bärtige. »Ist dir eigentlich schon aufgefallen, dass sich das Tier äußerst merkwürdig verhält? Es ist nicht nur der Mangel an Fleisch und Haut, sondern auch die Tatsache, dass es reden kann und sich einen Namen gegeben hat.«
»Würdest du Yankela näher kennen, würdest du noch andere seltsame Eigenschaften an ihr feststellen«, meinte Terca. »Aber du wirkst nicht sonderlich überrascht. Ich kannte Männer, die größer waren und tapferer wirkten als du und die wegen derartiger Wesen schreiend die Flucht ergriffen haben.«
»Ich hatte schon mit seltsameren Geschöpfen zu tun, alte Frau. Doch ich bin noch keinem begegnet, das sich merkwürdiger als wir Menschen benahm.«
»Wir werden uns beizeiten darüber unterhalten. Aber jetzt zu deinem Begleiter.« Terca tastete über das, was sie als Brust des Verletzten erachtete. »Was ist mit ihm geschehen?«
»Wir hatten eine kleine Auseinandersetzung mit ein paar Burschen, die uns nicht sonderlich wohlgesinnt waren. Pirmen hat da und dort kleinere Fleischwunden davongetragen. Vielleicht möchtest du sie dir ansehen? Yankela meinte, du wärst in diesen Dingen recht erfahren.«
»Ich würde Yankela selbst gern einige Fleischwunden zufügen, wenn ich’s nicht schon längst getan hätte«, murmelte Terca geistesabwesend. Sie war damit beschäftigt, Tücher und Fleisch schichtweise voneinander zu trennen. »Bring mir frisches Wasser. Koch es ab. Hast du irgendein Kleidungsstück bei dir, das nicht nach Schweiß und Scheiße stinkt und halbwegs sauber ist?«
»Nein.«
»Dann nimm das hier.« Terca riss sich Stoff aus den Hosenbeinen. »Wasche es, so gut es geht. In meiner Tragtasche findest du einen Lederbeutel mit Fettsand zum Reinigen. Da ist auch Nähzeug, das du mir bringen wirst. Mach schon!«
Der Bärtige stand ächzend auf und brachte Terca, was sie benötigte, um sich dann daranzumachen, die Tücher so gut es ging zu reinigen. Sie kümmerte sich nicht weiter um ihn. Alle Konzentration galt dem Wesen vor ihr. Dieser jämmerlichen Gestalt, deren Augen fiebrig glänzten und die kaum noch etwas Menschliches an sich
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