Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Tod?« Yankela ließ die Kieferknochen amüsiert aufeinanderklappern.
»Es gibt schlimmere Dinge als den Tod. Doch lassen wir das. Wo ist unser Essen?«
»Es ist zu klein für einen allein …«
»Nein, du wirst es nicht für dich behalten. Du kannst es ohnehin nicht verdauen. Bring es mir!«
»Es ist zäh und alt.«
Terca hob einen faustgroßen Stein und wog ihn in der Hand. Sie ließ eine Winzigkeit ihres Dusus durch den Arm fließen, gerade so viel, dass Yankela es erahnen konnte.
»Ich bringe es, ich bringe es!«, sagte das Katzenskelett schnell und huschte davon, die Böschung hoch, um bereits wenig später mit einem Hasen im Maul zurückzukehren. »Alt und zäh ist er, wie ich sagte. Er wird dir nicht schmecken, dir den Magen verderben.«
Terca achtete nicht weiter auf ihren Begleiter. Sie packte den Hasen bei den Löffeln, hielt ihn in die Höhe und besah die ausgezeichnete Arbeit, die Yankela geleistet hatte. Mit einem Biss hatte sie ihre Beute geschlagen. Aus kleinen Löchern am Hals troff ein wenig Blut.
Terca zog dem Tier routiniert das Fell über die Ohren. Auch wie man es ausweidete, hatte sie noch nicht verlernt.
»Morgen geht’s übrigens zurück in den Süden, weit in den Süden.«
»Wie bitte?«, fragte Terca.
»Dein Schicksal. Du wirst ihm heute noch begegnen. Zweibeiner wie du sind ganz in der Nähe. Sie brauchen deine Hilfe. Der eine mehr, der andere weniger.«
»Und das sagst du mir erst jetzt?« Terca legte den gehäuteten Hasen beiseite und sah sich um. »Wo sind sie?«
»Wenn du sie suchst, verpasst du sie, Frau aus der alten Zeit. Sie werden dich finden, so wie es vorherbestimmt ist.«
Terca stand auf. »Schicksal ist das, was man daraus macht«, sagte sie, sah sich um und stieg dann jenen Weg hoch, den Yankela zuvor benutzt hatte, und sah sich um. Das Land wirkte friedlich, doch der böige Wind sorgte für eine gewisse Unruhe. Obwohl sie ihre Sinne in alle Himmelsrichtungen ausstreckte, bemerkte sie nichts Außergewöhnliches. Es war ruhig.
»Lügt mich dieses verdammte Vieh etwa an? Warum habe ich mir bloß eine Katze als Reisebegleiter ausgesucht?«
Terca kannte die Antwort nur zu gut. Die Intuition dieser Tiere hatte ihr mehr als einmal das Leben gerettet. Darüber hinaus sorgte ihre Unberechenbarkeit für Abwechslung. Mit Wölfen, Schweinen, Hasen oder Kriechechsen hatten ihre Versuche niemals große Erfolge gezeitigt, und sie war ihrer meist rasch überdrüssig geworden.
Sie tat einige Schritte – und stolperte. Sie war mit dem Fuß in einer Erdspalte hängen geblieben und fiel der Länge nach hin. Etwas in ihrem Fuß knackste laut, und noch bevor sie aufprallte, ahnte sie, dass die nächsten Tage Schmerzen mit sich bringen würden.
»Verdammter Mist!« Sie fiel in eine Ansammlung Brennnesseln, sprang rasch auf und stolperte zurück, trotz des Stechens im linken Knöchel. Schon nach nur wenigen Augenblicken zeigten sich rote Pusteln an den nackten Oberarmen. Auch ihr Gesicht brannte wie Feuer, in ihrem Hals steckte mit einem Mal ein immer größer werdender Klumpen. Fluchend humpelte sie zum Rinnsal und tauchte erst das Gesicht, dann das verletzte Bein ein. Stechmücken lösten sich aus den Gräsern und stürzten sich gierig auf sie, um ihren Blutdurst zu stillen. Terca schöpfte Wasser und kehrte so rasch wie möglich zu ihrem Lagerplatz zurück, vorbei an der Knochenkatze, die ihr auswich, als befürchtete sie, getreten zu werden.
Terca ließ sich neben dem schwelenden Feuer nieder und fütterte frische Blätter nach. Grüner Rauch stieg auf und vertrieb einen Großteil jener Mücken, die ihr wie ein tausendfach zerteilter Schatten gefolgt waren.
»Das Schicksal«, sagte Yankela, »es lässt sich nicht betrügen.«
»Verschwinde gefälligst!«, schrie Terca, warf einen Stein nach dem toten Tier und fügte dann vorsorglich hinzu: »Aber du kommst wieder zurück und bringst mir Leberkraut aus dem Wald, verstanden?«
»Fast. Fast hättest du den Bannspruch aufgelöst.« Yankela fuhr wütend mit ihren Krallen über blanken Fels, und tiefe Furchen blieben zurück. »Das nächste Mal wirst du darauf hereinfallen, und dann …«
»Lass mich in Ruhe mit deinen Geschichten vom blauen Mond! Bring mir gefälligst das Leberkraut!« Sie umwickelte den rasch anschwellenden Knöchel mit einem feuchten Stoffstreifen. Die Bänder waren gedehnt, aber das Gelenk heil geblieben. Die Heilpflanze würde ihre Schmerzen lindern. Mithilfe einer behelfsmäßigen Schiene aus Knochen
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