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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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harmlose Schlangen lagen dort, wohin sich Sonnenstrahlen verirrten, auf Stufen oder gegen Mauerwerk gepresst wie winzige Teile eines riesenhaften Gemäldes.
    Poitrea die Wunderbare. Poitrea die Unglaubliche.
    Jene Bürger, die sich in Sänften transportieren ließen, hatten meist das Handelshaus zum Ziel, diesen monumentalen Bau, den Terca bereits häufig und stets durch Hintertüren betreten hatte. Die Krämer tauschten dort Luxusgüter aus den fernsten Orten und verkauften Vieh sowie Sklaven, ohne auch nur eine dieser begehrten Waren mit sich zu führen. Sie machten Papiergeschäfte, bei denen gemauschelt und betrogen wurde. Hochbezahlte Schreiber saßen mit gewichtigen Mienen an ihren Tischen und hielten die Händel schriftlich fest. Nach Abschluss des Geschäfts sorgten sie dafür, dass die Waren tatsächlich übergeben oder gegen andere Papiere eingetauscht wurden.
    Poitrea die Sagenhafte. Poitrea die Reiche.
    Terca passierte die zentrale Station der Hochzug-Eimer. Auch hier herrschte reger Betrieb. Die hölzernen Tragegestelle waren reichlich verziert. Allerorts sah man das Symbol der Möwe, Insignium der Macht und der weitreichenden Geschäftsbeziehungen, die Poitrea zur reichsten Steilstadt gemacht hatten. Manche der Hochzug-Eimer reichten ganz nach oben, zu den Palästen, in denen die Reichen und Adligen lebten, in im Gestein verankerten oder gar aus dem Fels geschlagenen Wohnstätten, so großzügig ausgestattet, dass ganze Hundertschaften an Menschen darin Platz finden konnten. Sie gaben sich Vergnügungen hin, die für die Arbeiter Poitreas nicht vorstellbar waren. Sie lebten sorg- und planlos in den Tag hinein – und schienen dennoch nicht glücklich.
    Der Abend nahte. Einige der Reichen und Schönen der Stadt suchten bereits den Weg nach unten, um sich den Vergnügungen des niederen Volkes hinzugeben. Um zu saufen, zu völlern, herumzuhuren oder in der Unterstadt zwei Obdachlose für einige Silberne Mau gegeneinanderzuhetzen.
    Mit einem Seufzer des Bedauerns wandte sich Terca von den Hochzug-Eimern ab und ging weiter in Richtung der Hängeleitern, der günstigeren, aber auch gefährlicheren Alternative, die für die Armen zur Bewältigung des Höhenunterschieds zwischen Mittel- und Unterstadt gedacht waren. Und selbst dafür würde sie einen Großteil ihrer bescheidenen Barschaft aufbrauchen müssen. Die Halsabschneider des Händlerkonsortiums hatten die Preise für eine einfache Passage wieder einmal erhöht.
    Eine Sänfte wurde vorbeigetragen. Stattliche junge Männer, acht an der Zahl, trugen allesamt Glöckchen um den Hals, deren silberheller Klang das Markenzeichen des Müllhändlers Panapim war. Seine spitze Nase lugte hinter dem Vorhang seiner Trage hervor. Er bedachte die Mitglieder des einfachen Volks mit Verachtung und hielt sich ein parfümiertes Tüchlein vor Mund und Nase, als würden sie den Gestank von Leichen ausdünsten. Er und seinesgleichen waren das Grundübel dieser Stadt. Sie molken die Bürger, wo und wann sie nur konnten.
    »Mit Verlaub«, sagte jemand und drängte sich neben Terca.
    Sie war nicht sonderlich überrascht, als sie die Pelzfrau sah. Sie hatte sich stets auf ihre Intuition verlassen können.
    »Du bist Terca?«, fragte das Weibchen mit Flüsterstimme.
    »Das kommt darauf an.«
    »Wie bitte?«
    »Es kommt darauf an, ob diese Terca Schulden bei dir hat oder ob du Arbeit für sie hast.«
    »Du hast ganz gewiss keine Schulden bei der alten Felita. Doch bin ich mir noch längst nicht sicher, ob du mir helfen kannst.«
    Die Frau wollte Selbstsicherheit vortäuschen – und scheiterte kläglich. Sie bot aus der Nähe ein erbärmliches Bild. Sie zitterte, und der Blick ihrer Augen verriet große Angst.
    Die Hängeleitern kamen in Sicht. Männer drängten die Wartenden immer wieder mit Lanzen, die sie quer vor sich hielten, zurück. Die uralten steinernen Böller, im Abstand von etwa einem Meter aneinandergereiht, dämmten ebenfalls den Druck der Nachdrängenden.
    »Fast jeder, der meine Hilfe benötigt, hat so seine Zweifel«, sagte Terca und tat einen Schritt auf die Wachen zu. »Ich kann sie nicht zerstreuen. Du wirst von mir weder Unterstützung noch Hilfe bei deiner Entscheidung erhalten.«
    »Man … man hat mich darauf vorbereitet, dass du kein sonderlich netter Mensch seiest.«
    » Man hat recht. Ich interessiere mich kaum für andere Leute. Also sag, was du brauchst, oder scher dich deiner Wege.«
    »Nicht hier.« Die Alte sah sich unsicher um.
    »Niemand

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