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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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Feuer auf. »Komm schon!«, rief sie ihrer Begleiterin zu.
    Ihrer beider Schritte hallten von den Mauern wider. Das Echo verlor sich in der Ferne, dort, wo die Cabrische See gegen die Felsen rings um die Steilstadt Poitrea brandete. Es dauerte eine Weile, bis sie ihr Ziel erreichten, eine tief ins Gestein gehauene Höhle. Tercas Refugium, wo sie die Geheimen Künste ausübte, ihrer Sucht frönte und ihrem Beruf nachkam. Als Engelmacherin, Giftmischerin oder Hure – und manchmal, wenn die Wand sie nicht allzu sehr lockte, auch als Herrin der Unterstadt.

5. Der Hohe Herr
    Schnee. Pirmen hatte ihn mittlerweile in all seinen Konsistenzen kennengelernt. Feucht. Pulvrig. Kristallen. Schwer. Federleicht. Wie feinste Sandkörnchen, die vom Sturmwind hochgeweht wurden. Als matschige Masse, die an den Stiefeln klebte und jeden Schritt erschwerte. Als heimtückische Eiskruste, vom Wind in bizarre Formen gezwungen, deren Kanten in die Fesseln seines Reittiers schnitten. Glitzernd und irritierend, seine Augen blendend.
    Es gab tausend Varianten von Schnee, und für jede einzelne gab es einen Fluch, hatte man ihm in einer der vielen Tavernen gesagt, die zwischen dem heimatlichen Oceanicum und hier lagen.
    Pirmen zog den steif gefrorenen Kragen höher und zupfte an den Zügeln seiner Stute. Widerwillig stapfte sie weiter, drohte auf dem leicht abschüssigen Untergrund wegzurutschen, fing sich, schnaubte laut und stob dabei Dampf durch die Nüstern aus. Gewiss machte sich auch das treue Tier seine Gedanken über diese grässliche Kälte, und gewiss hasste es ihn für jeden einzelnen Tag, den Pirmen es durch die Kälte trieb, immer weiter weg von den heimatlichen Ställen.
    »Ruhig, Stellex«, mahnte er – und bereute es im nächsten Moment. Die Kälte bohrte sich ins wunde Zahnfleisch, in Hals und Rachen und machte, dass er husten musste. Der Anfall war schlimmer als der vorherige, der wiederum schlimmer als der davor gewesen war. Er hatte sich verkühlt, und wenn er nicht bald einen Unterschlupf fand, in dem er sich wärmen und ein heißes Süppchen samt einiger Kräuter aus seinem Fundus zu sich nehmen konnte, würde die Entzündung tiefer in seinen Leib vordringen und ihn fiebern lassen.
    Fieber. Schwäche. Desorientierung. Delirium. Das eine führte zum nächsten. Und er machte sich nichts vor: Am Ende dieser gar nicht so langen Strecke stand der Tod.
    Befand er sich denn überhaupt noch auf dem Weg, der durch gekreuzte Stecken markiert war? Wie lange war es her, dass er die letzten Hölzer gesehen hatte? War es dort hinten in dem kleinen Wäldchen gewesen oder sogar noch davor? Und warum wusste er plötzlich nicht mehr, aus welcher Richtung er gekommen war und in welche er weiterreiten musste?
    Genug! Pirmen rutschte vom Pferd. Er fiel auf die Knie, der Schnee dämpfte den Sturz. Wenigstens etwas, wofür das Scheißzeugs gut ist!
    Er kämpfte sich auf die Beine, stützte sich für eine Weile an der Stute ab, tat dann einige vorsichtige Schritte zu ihrem Hinterteil, klatschte ihr fest gegen die Arschbacke und hielt sich dann am Schweif fest. Stellex, gutmütig wie kaum ein anderes Tier, setzte sich in Bewegung, ohne sich an ihm und dem ungewohnten Griff zu stören. Mit ein klein wenig Glück würden ihre Instinkte sie zu einem sicheren Ort führen.
    Glück? Pirmen schnaubte. Wann endete meine Glückssträhne? Oder noch besser gefragt: Hatte ich jemals wirklich Glück? Ich kann mich nicht daran erinnern, seit meinem Eintritt in die Dienste von Meister Larex auch nur einen einzigen schönen Moment erlebt zu haben.
    Magicae hatten einen hohen Preis für ihre anerlernten Fähigkeiten zu bezahlen. Sie wurden zu mächtigen Geschöpfen, vor deren Namen die Reichen und Mächtigen der zivilisierten Länder zitterten – doch ihr persönliches Schicksal war vom ersten Augenblick ihrer Lehr- und Wandertage an von Pein und Schmerz und Unglück bestimmt.
    Gafelay, der mächtigste der noch lebenden Magicae, war ein Krüppel mit nur noch einem Arm und einem Ei. Die Krankheiten, die durch seinen Leib tobten, konnten nur durch mühevolle Zeremonielle gebändigt werden, die ihn mehr als die Hälfte eines jeden Tages kosteten.
    Stellex furzte, hob den Schweif ein wenig an und ließ unmittelbar neben Pirmen einige dampfende Rossäpfel zu Boden klatschen. Wie benommen starrte er darauf. Sie versprachen ein klein wenig Wärme inmitten dieses Landes, in dem selbst das Sonnenlicht eingefroren wirkte.
    Er schnalzte mit der Zunge, und die Stute

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