Der Gottbettler: Roman (German Edition)
Gesundheit, Schönheit und – wenn man danach fragte – auch die Heilung von Fußpilz und Sackratten. Ein düsterer Geselle, der die Kreidebemalung eines Fleischers aus der benachbarten Steilstadt Arabeor trug, verkaufte sich selbst und seine Begabung als Hausmeister. Der Sklavenring, den er bei sich hatte, war viel getragen. Er hatte gewiss schon einige Jahre als Eigentum eines reichen Fettsacks verbracht und hoffte wohl immer noch, eines Tages frei von allen Bürden und Verpflichtungen zu sein, um sich selbst Bedienstete leisten zu können. Zwei hellhäutige Kindskrieger aus den Südlanden traten spielerisch gegeneinander an. Die beiden Knaben, vielleicht zwölf Jahre alt, ließen die Schwerter kreisen, mit atemberaubendem Tempo und einer Geschicklichkeit, die jenen Söldnern, die über die Stadt wachten, gewiss den Zorn der Eifersucht in die Augen getrieben hätten – wenn sie sich hier hätten blicken lassen.
Und dann war da noch der Rekrutor. Ein feister Kerl, behangen mit Gold und Edelsteinen, in feinstes Tuch gehüllt, von einer Vielzahl von Dienern umringt, die sich geschäftig gaben und alles unternahmen, um sich besser und ihre Kollegen schlechter aussehen zu lassen. Der Rekrutor saß an einem breiten Tisch und hatte die Hände über seinem gewaltigen Bauch ineinandergelegt. Er schien zu schlafen, doch Terca ahnte, dass er hellwach war und ganz genau registrierte, was rings um ihn vor sich ging.
Vor dem Tisch standen Menschen und andere Wesen Schlange. Zwei Hoboken ragten wie zu lang geratene Zaunpflöcke aus der Reihe hervor, auch einige Vertreter des Kleinen Volks warteten auf eine Gelegenheit.
»Das Oceanicum Lemen benötigt neue Arbeitskräfte!«, rief ein Ausschreier, der unmittelbar neben dem Rekrutor Aufstellung genommen hatte. »Lemen wächst schneller als die anderen Städte. Wir benötigen fleißige und geschickte Handwerker, Schiffszimmermänner, waffenfähige Frauen und Männer, Steinmetze, Mitglieder der niederen Künste.«
Die Wesen in der Reihe wurden unruhig. Offenbar fühlten sich die wenigsten angesprochen. Ihnen allen war die Hoffnung anzumerken, irgendwie in Lemen unterzukommen, auf einer der alles beherrschenden Inseln in der Cabrischen See. Dort, wo Silber angeblich eimerweise auf den Straßen lag und selbst die Hennen Gold schissen. So wurde es landauf, landab verbreitet, und so erzählten es auch jene wenigen, die aus den Städten zurückkehrten.
Terca gab nicht viel auf das Gerede. Gewiss war es möglich, in den Oceanica ein oder mehrere Vermögen zu machen. Aber war das nicht auch hier so oder anderswo in den zivilisierten Ländern? Allerorten musste man die nötige Energie sowie eine gehörige Portion Rücksichtslosigkeit aufbringen und darüber hinaus auf sein Glück vertrauen, wenn man es zu etwas bringen wollte.
Der Rekrutor schnaufte laut und winkte dem ersten Mann in der Reihe näher zu treten. Der Hagere verlagerte sein bisschen Gewicht unsicher von einem Bein aufs andere. Er beugte sich zum Rekrutor vor, als wollte er ihm etwas ins Ohr flüstern. Augenblicklich waren grimmig dreinblickende Soldaten an seiner Seite und drängten ihn zurück.
Der Rekrutor lauschte ohne erkennbares Interesse den Worten des Hageren, um ihn, noch bevor er geendet hatte, mit einem gelangweilten Wink zu entlassen.
Der Mann wollte in seiner Litanei fortfahren, doch er wurde rasch beiseitegeschoben und weggestoßen. Einige der Wartenden lachten höhnisch, andere blieben ernst und sahen betreten zu Boden. Sie befürchteten wohl, ein ähnliches Schicksal zu erfahren.
Terca kicherte unvermittelt. Was, wenn sie ebenfalls ihr Glück versuchte? Ihre Talente waren womöglich auch in Lemen gefragt. Sie wäre in Sicherheit, weit weg von der Wand, auf einer weitgehend isolierten Insel, und konnte den magischen Lockungen dieses verfluchten Fleckens nicht mehr nachgeben. Selbst die Truppen des Gottbettlers schienen keine Bedrohung für die Oceanica zu sein. Terca wäre gerettet, zumindest für einige Zeit …
Jemand beobachtete sie. Ihr sechster Sinn schlug an. Langsam drehte sie sich um und nahm die Wesen nahe einem Krämerladen, der gedörrte Früchte aus den Südlanden feilbot, näher in Augenschein. Niemand achtete auf sie. Nur das eine Geschöpf, dessen Rücken unter der Last eines Fellbündels gebeugt war, sah kurz zu ihr und gleich wieder weg.
»Kundschaft«, murmelte sie. »Wahrscheinlich eine mit wenig Geld und viel Tränen. Wie immer.«
»Wie bitte?« Ein Mann aus dem Kleinen Volk,
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