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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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größere Bedenken getan. Ringsum herrschte Frieden. Was weit weg geschah, in den Kriegsgebieten der Lande rings um das Meer Griam, spielte hier keine Rolle. Das Heer des Gottbettlers kümmerte sich um die Reichen, nicht um sie, die sie hart arbeiten mussten, um zu überleben.
    Oder?
    »Dort!«, rief Herr Rudynar Pole. Er deutete in den Himmel. In Richtung einer schwarzen Wolke, die immer mehr anschwoll, Konturen gewann und sich bald als Hundertschaft großer geflügelter Wesen entpuppte.
    »Was ist das?«, stieß einer der Gesellen hervor. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Sicherlich nichts Gutes«, murmelte Herr Attamay. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, die Gestalten zu identifizieren. Es dauerte nicht lange, bis er Gewissheit hatte: Die Nachtkrappen kamen! Wesen, deren einziger Lebenszweck es war, Menschen mit ihren scharfen Schnäbeln zu töten, ihre Leiber zu zerhacken und sich an ihrem Inneren zu laben. Warum sie es taten, blieb unklar, denn angeblich waren sie auf Fleisch als Nahrung nicht angewiesen.
    »Holt Waffen!«, rief Herr Attamay. »Schafft herbei, was greifbar ist! Bringt die Kinder hinter die Palisaden und bereitet alles für den Notfall vor!«
    Unter anderen, weniger besorgniserregenden Umständen wäre er stolz auf seine Leute gewesen, die sich binnen wenigen Augenblicken völlig verwandelten. Aus hart arbeitenden Bauern wurden grimmige Krieger, die ihre Besitztümer mit allem, das ihnen dafür zur Verfügung stand, verteidigen würden.
    Die Frauen entknoteten Stricke, die um dicke Bündel geschlungen waren. Schwerter und Messer purzelten zu Boden, dazu einige Bogen und zwei mit Metall versteifte Armbrüste. Herr Attamay griff sich ein Kurzschwert und wog es in der Hand.
    Die Himmelsschatten kamen näher. Schon war ihr Krächzen zu hören, schon waren Körperdetails auszumachen. Die seltsamen Wesen spreizten die Gefieder weit zu den Seiten hin aus und glitten spielerisch auf Luftpolstern dahin. Die Hackschnäbel waren fast so lang wie ihre Körper. Köpfe, die auf langen Hälsen saßen, bewegten sich unaufhörlich hin und her. Blicke aus dunklen Augen trafen Herrn Attamay. Blicke, die einen Vorgeschmack darauf gaben, was die Bewohner Amstades und ihn erwartete.
    Er empfand mit einem Mal tiefe, kreatürliche Angst. Er wollte davonlaufen und sich irgendwo verkriechen, sich ein Loch scharren und nichts mehr wissen von dieser kalten, grausamen Welt …
    Gesang ertönte. Er war einschmeichelnd und lieblich. Er entzog seinem Geist alle Furcht, alle Gedanken der Besorgnis. Sanfte Stimmen ergaben einen Klangteppich von so absoluter Reinheit, dass Herrn Attamay die Tränen in die Augen schossen. Sie sangen von Frieden und Freude, von Wollust und Fröhlichkeit, von Zufriedenheit und Glückseligkeit.
    Parveniden!, dachte Herr Attamay diesen einzigen, vom Glücksgefühl losgelösten Gedanken, der ihm Rettung verschaffen mochte. Er erinnerte sich der Begegnung mit einer einzigen Frau dieses sonderbaren Geschlechts, fern von hier, in seinen Tagen als Krieger. Er war ihren Verlockungen erlegen und hätte es beinahe mit dem Leben bezahlt. Und nun schallte der Gesang eines ganzen Chors, bestehend aus fünfzig oder mehr Stimmen, über das Dorf. Er hallte von den Felsen im Norden wider und brach sich am Wasser des kleinen Flusses, der ihre Heimat im Süden begrenzte. Wasser war das einzige Hindernis, das der Gesang der Parveniden nicht zu queren vermochte.
    »Wehrt euch!«, rief Herr Attamay. »Hört nicht auf die Stimmen! Sie wollen euch verführen und euch schwächen …« Er verstummte. Er hatte keine Kraft mehr. Er sank nieder und zog die Knie eng an den Leib. Er saß da, in jener Stellung, in der er einstmals im Körper seiner Mutter gehockt hatte. Wie gern wäre er heute darein zurückgekehrt!
    Er biss sich auf die Zunge. Schmeckte das Blut, hörte es durch seine Adern rauschen. Nein, so leicht war sein Geist nicht zu bezwingen, nicht mehr! Er hatte viel gelernt in fernen Landen, bevor er sich zur Ruhe gesetzt und Kinder in die Welt gesetzt hatte.
    Er erhob sich und streckte seinen Körper. Mit der flachen Seite seiner Klinge hieb er den beiden Gesellen über die breiten Rücken. Wie er waren sie zu Boden gesunken, wie er hatten sie Tränen im Gesicht. Rings um ihn war Stille. Alle Mitglieder der Dorfgemeinschaft hatten sich ergeben, hatten ihren Widerstand gegen diese süßen, süßlichen Stimmen eingestellt.
    Herr Attamay sah die Parveniden kommen. Freundlich winkend tänzelten sie einen der

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