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Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Der Gottbettler: Roman (German Edition)

Titel: Der Gottbettler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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verschlungenen Wege hinab, der zum Osteingang des Dorfes führte. Sie bewegten verführerisch die breiten Hüften, winkten und lächelten, strahlten mit der eben wieder hinter den Wolkenbänken hervorlugenden Sonne um die Wette. Alles an ihnen war Schönheit und Freude. Wer konnte einem derartigen Gegner widerstehen?
    Einer der Gesellen erwachte aus der Entrückung und stierte verständnislos um sich. »Sie sind nicht das, was sie zu sein scheinen«, sagte Herr Attamay mit schwerer Zunge. »Denk an Hass. Denk an Wut. An den Kerl, der dir die Frau weggenommen hat. Dann wirst du erkennen, was sich hinter der Erscheinung der Parveniden verbirgt.«
    Der Geselle fand die Kraft, seinen Rat zu befolgen. Sein Gesicht lief allmählich rot an. Er sah, was zu sehen war. Und er brüllte los, aus Zorn und Enttäuschung.
    Sie waren nun zwei Schwerter gegen eine Armee, die ihr wahres Antlitz nach wie vor nicht preisgegeben hatte. Doch Herr Attamay wusste, dass die Nachtkrappen und die Parveniden bloß Teil der Vorhut waren. Ihre wahren Gegner würden sich erst später zeigen.
    »Wir müssen die anderen wecken!«, sagte er dem Gesellen. »Bring unsere Leute zu sich, irgendwie. Füge ihnen Schmerz zu, spuck sie an, verfluche sie. Sorge dafür, dass sie die Wahrheit erkennen und den Klang der Stimmen aus ihren Köpfen verdrängen.«
    »Ja, Herr.«
    Der Geselle beugte sich zu seinem Kumpan hinab und malträtierte dessen Gesicht mit Faustschlägen. Offenbar kamen dabei lang unterdrückte Animositäten zum Vorschein, doch das Wie und Warum kümmerte Herrn Attamay nicht. Im Kampf – und dies würde zweifelsohne ein Kampf werden! – waren sanfte Worte fehl am Platz.
    Ein dritter Mann erhob sich zwischen den Garben, fünfzig Schritte von ihm entfernt. Er kam taumelnd auf die Beine und winkte ihm schwach zu. Es war Herr Rudynar Pole, der Taugenichts. Und mit einem Mal erinnerte sich Herr Attamay, was diesen Taugenichts einstmals ausgemacht hatte, bevor er ihn hierhergeschleppt hatte, in ein friedliebendes Dorf der Stille und Beschaulichkeit: Er war der beste und verrückteste Kämpfer gewesen, dem er jemals begegnet war. Wenn auch nur ein Fünkchen dieses Wahnsinns noch in ihm steckte, würden die Parveniden und all jene, die hinter ihnen kamen, ihr blaues Wunder erleben.
    Herr Rudynar Pole stieß einen Kriegsschrei aus, so laut und so voller Intensität, dass Herr Attamay bis ins Mark erschauderte. Sein Freund packte eine der Armbrüste, legte einen Bolzen in die Führung und löste die Waffe aus, ohne lange zu zielen. Dennoch traf er einer der Frauen ins Auge. Sie kippte nach hinten weg und war tot, noch bevor sie den Boden berührte. Die strahlende Schönheit wandelte sich binnen wenigen Augenblicken in ein altes, hässliches Hutzelweibchen mit Armstummeln, flabbriger Nase und Hängebrüsten.
    Der Gesang brach ab, die Frauen hielten inne. Allesamt zeigten sie nun ihre wahre Gestalt. Sie zischelten und rotzten, geiferten und kreischten. Es würde eine Weile dauern, bis sie sich gefangen und ihre magische Tarnung wieder aufgebaut hatten. Auch die Nachtkrappen, eben noch bereit, sich auf die Bewohner Amstades zu stürzen, zogen sich zurück, stiegen höher in den Himmel.
    »Auf die Beine!«, schrie Herr Attamay. »Seht unseren Gegnern in die Augen!«
    Aus drei waffenbereiten Männern wurden binnen kurzem ein Dutzend, aus einem Dutzend eine Hundertschaft. Die Parveniden versagten. Es erfüllte Herrn Attamay mit Stolz, dass sie dieser ersten Gefahr widerstanden hatten.
    Seltsame Töne erfüllten die Luft. Eine Art Gesang, den Herr Attamay nur zu gut kannte. Er wurde erzeugt von unterschiedlich stark gespannten Bogen und Armbrüsten, von tierischen Sehnen, die, weich gekaut und geschmeidig gemacht, nun ihr Lied sangen und todbringende Geschosse in den Himmel jagten.
    Eine schwarze Wolke zog am Horizont auf, rasend schnell, zerfaserte rasch, verlor sich in kleinen und immer kleineren Teilen, die auf sie herunterstachen, erschreckend rasch größer wurden und sich dann in die Erde bohrten, nur wenige Fuß von den Bauern entfernt. Ein einzelner Mann schrie laut auf und brach zusammen, von einem guten Dutzend Pfeilen gespickt. Es dauerte bloß wenige Sekunden, bis sein Gebrüll endete und bedrückende Stille herrschte.
    »Zurück!«, rief Herr Attamay und winkte seinen Leuten.
    Die Bauern setzten sich augenblicklich in Bewegung, wie sie es in unzähligen Übungseinheiten gelernt hatten. Rückzug war das, was sie am besten verstanden.
    Wieder

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