Der Gottbettler: Roman (German Edition)
in deinem Gesicht sehen, an deinem Händedruck spüren. Sie muss wissen, dass du für sie da bist.«
Mach es besser als meine Mutter bei mir … Möge sie im Arsch eines Feuerdämonen stecken und mit jedem Furz erneut angeröstet werden!
Sie griff nach dem Messer mit der schärfsten und dünnsten Klinge, schnitt Markierungen über den Bauch, ganz sacht, sodass bloß die obersten Hautschichten aufplatzten, und machte sich dann, nach einem letzten tiefen Atemzug, an die Arbeit.
Gleich wirst du erfahren, warum wir hierhergegangen sind, Felita. Denn hier kann niemand die Schreie deiner Tochter hören.
Terca tat den ersten Schnitt.
Niemals hätte sie geglaubt, dass sich bei einer derartigen Arbeit Gewöhnung einstellen könnte. Und doch war es so. Die Schreie, das Jammern, das Wehklagen, die Reuebekundungen – das alles hatte Terca schon viel zu oft gehört und erlebt. Sie wunderte sich längst nicht mehr über die sich widersprechenden Gefühle anderer Menschen. Sie erledigte ihre Arbeit und tat Dinge, die widerlich waren und die sonst kaum jemand bereit war zu tun.
Terca packte das blutige, in einen Stofffetzen gewickelte Bündel toten Fleischs und stopfte es durch eines der Löcher. Es plumpste in die Tiefe und wurde von dem Wasser einer zurückweichenden Welle in die Tiefe gesogen, um woanders wieder aufzutauchen, wie ein Kork, den es zurück an die Oberfläche trieb. Irgendwann würde das Ungeborene unten bleiben. Tierische Räuber, die in diesem ungebändigten Chaos der Natur auf Jagd waren, würden sein Blut riechen und sich um die Überreste des Babys kümmern.
Sie gab Gunguelle Wasser. Die junge Frau konnte kaum noch krächzen, geschweige denn noch schreien. Bald würde sie in einen Erschöpfungsschlaf fallen und ein klein wenig zeitlichen Abstand zu dem Martyrium der letzten Stunde gewinnen. Bis zu ihrem neuerlichen Erwachen mussten sie das Gör mit der Trage nach oben geschleppt haben, in Tercas Zuflucht, wo es auf weichen Fellen, die nach ihrer Heimat rochen, aufwachen würde und die Mutter neben sich hatte. Eine kräftigende Mahlzeit wartete auf Gunguelle, dazu sämiger Fruchtsaft, einige liebevoll geflüsterte Worte, Gespräche mit der Mutter. Und die bangen Fragen hinsichtlich ihrer Zukunft. Womöglich die Idee, die Tochter hierzulassen, damit sie etwas lernte und in ihrer Heimat nicht in den Ruch von Schande geriet.
Denkt nicht einmal darüber nach , ermahnte sich Terca. Wenn Gunguelle hierbleibt, ist ihr weiterer Weg vorgezeichnet. Ein liebevoller Kavalier, wie es Hunderte in der Unterstadt gibt, wird sich ihrer annehmen, sie verführen und, nach ein paar Tagen voll Freude und Leidenschaft, mit gezielten Schlägen auf ihre zukünftige Arbeit vorbereiten. Man wird sie sich gefügig machen, Tag für Tag wird sie ein klein bisschen weniger über die Dinge nachdenken, die man ihr antut. So lange, bis ihr alles egal ist. Sie wird sich ihrem Schicksal ergeben und mit nicht einmal dreißig Jahren an einer Krankheit sterben, die sie von innen her auffrisst. Oder, wenn sie die Kraft dazu findet, den Weg ins Wasser suchen. Um so zu enden wie ihr Ungeborenes heute. Und ich, was werde ich dagegen unternehmen? Gar nichts. Denn ich bin die Herrin der Unterstadt. Ich darf nicht Partei ergreifen. Ich werde zusehen, wie dieses arme missbrauchte Ding immer tiefer fallen und in jeglicher Hinsicht entehrt werden wird. – Kehrt zurück in euer Kuhdorf! Der dümmste Dorftrottel ist allemal besser als ein Kerl aus der Unterstadt Poitreas.
Gunguelle fielen die Augen zu, die junge Frau fing an leise zu schnarchen, um manchmal nervös zu zucken und mit den Händen die lange Wunde an ihrem Bauch entlangzutasten. Terca wartete eine Weile, bis sie sich sicher sein konnte, dass das im Wasser aufgelöste Betäubungsmittel vollends seine Wirkung tat.
»Jetzt!«, sagte sie zu Felita und deutete ihr, zwei Enden jener Decke hochzunehmen, auf der die junge Frau ruhte. Hastig packte sie ihre Habseligkeiten in die Behandlungstasche und nahm die anderen Enden der Decke. Ächzend und schwitzend schafften sie das Mädchen den Weg hoch, vorbei an scharfkantigen Ecken und durch Gänge, die man bloß gebückt passieren konnte. Sie schnauften, und immer wieder hielten sie inne und atmeten laut durch. Noch vor einigen Jahren hatte Terca diese Arbeit keinerlei Probleme bereitet. Doch heute schmerzten das Kreuz und die Lunge, und die Arme zitterten.
Sie erreichten ihr Erstes Verstec k. Die Höhle war mehrere Meter hoch, und die
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