Der Gottbettler: Roman (German Edition)
schwitzenden Händler in einer dunklen Seitengasse einen blasen. Er wird sich in ihrem Mund entleeren, ihr eine kleine Münze vor die Füße werfen, sich umdrehen und keinen müden Gedanken mehr an Gunguelle verschwenden.
»Es gibt Leute, die es in Poitrea nicht schaffen«, sagte Terca. Weiter durfte sie nicht gehen, mehr Warnungen durfte sie nicht aussprechen.
»Sollte es hier nicht klappen, kann sie immer noch zurückkehren.« Felita zeigte nun ein hoffnungsfrohes Lächeln. »In zwei, drei Jahren ist Gras über diese hässliche Sache gewachsen. Ich erfinde eine glaubwürdige Geschichte, warum ich sie in deiner Stadt lassen musste. Gunguelle würde all dem Tratsch entkommen. Sie wäre frei, könnte ganz von vorn anfangen.«
Sie würde als Sklavin in einem Puff landen. Wie all die anderen unerfahrenen Mädchen, die auf die Arbeit vorbereitet werden. Und zwar von Frauen, die diese Prozedur einige Jahre zuvor durchmachen mussten und froh sind, ihren Hass über ihr miserables Schicksal an jemand anders abreagieren zu können. »Möchtest du das wirklich?«, fragte Terca laut.
»Ja.« Felita nickte, so heftig, dass man befürchten musste, ihr würde gleich der Kopf von den Schultern fallen. »Ich lasse so viel Geld da, wie ich erübrigen kann, und übergebe dir den Rest meiner Felle. Du versprichst mir, sie an einem guten Ort unterzubringen?«
Mama Habich hat stets Bedarf an Frischfleisch. Sie weiß, wie man mit naiven Dörflerinnen zurechtkommt. Sie wird ihr binnen wenigen Wochen alle Flausen aus dem Kopf treiben und sie die Dinge lehren, die man auf der Straße benötigt. »Ich tue mein Bestes.«
»Sie muss mir schreiben, hörst du? Einmal in der Woche soll sie sich hinsetzen und mir berichten, wie es ihr in Poitrea ergeht.«
Sie wird Lügengeschichten erfinden. Um die Schande vor dir zu verheimlichen und von deiner Familie fernzuhalten, während sie dich im Stillen bis an dein Lebensende verflucht, weil du sie überredet hast hierzubleiben. Vielleicht war es in deinen jungen Tagen selbst einmal dein Wunsch, nach Poitrea zu gehen, um hier Abenteuer zu erleben. Möchtest du dir diesen Herzenswunsch erfüllen, indem du Gunguelle an deiner statt hierlässt? »Ich sorge dafür.«
»Dann wird alles gut.« Felita seufzte erleichtert, kramte weitere Münzen hervor – silberne, abgenutzte. Zwei davon behielt sie bei sich, der Rest wechselte die Besitzerin.
»Ich bin gut genug bezahlt«, sagte die Herrin der Unterstadt, als Felita ihr die übrigen Pelze geben wollte. »Verkaufe sie in der Mittelstadt und bring das Geld nach Hause. Sorge dich um deine anderen Kinder, so gut du kannst.«
Felita hatte Tränen in den Augen, als sie aufstand. Sie umarmte Terca und sagte: »Du bist eine gute Frau. Gunguelle könnte keine bessere Beschützerin finden als dich.«
»Ich tue, was ich kann.« Ich werde mich einige Tage lang um dein Töchterlein kümmern, sie gesund pflegen, ihr dann ein leicht betäubendes Mittel verabreichen und sie zu Mama Habich bringen. Die alte Puffmutter wird mir drei Monate lang das Zehnte dessen geben, was deine Tochter ihr anschafft. »Möchtest du nicht warten, bis Gunguelle wieder erwacht?«
»Ich könnte es nicht ertragen …« Felita schluchzte. »Der Abschied … Sie ist doch mein Kind … Wer weiß, ob ich sie jemals wiedersehe.«
Sie kehrte zum Bettlager ihrer Tochter zurück. Terca ließ ihr einige Minuten Zeit. Dann nahm sie Felita an der Hand und brachte sie zu einem Ausstieg, der in einen halbwegs sicheren Teil der Unterstadt führte.
Weitere Tränen folgten und die nochmals mit weinerlicher Stimme vorgetragene Bitte, dass sich Terca um Gunguelle kümmern sollte. Dann ging die Mutter der zukünftigen Hure.
Die Herrin der Unterstadt kehrte in ihre Gemächer zurück, setzte sich auf ihren lederbespannten Stuhl und betrachtete nachdenklich die Silber- und Goldmünzen. Heute war ein guter Tag gewesen.
Terca träumte von Leid und Schmerzen. Sie stand im Mittelpunkt einer Auseinandersetzung kleiner und großer, bedeutungsloser und immens wichtiger Figuren, die einander auf dem Schlachtfeld begegneten und aufeinander einhieben. Sie taten dies mit Fäusten und Schwertern, aber auch kraft ihres Geistes. Blitze zuckten über eine blutgetränkte Ebene. Ein Tier, ein Schakal, hetzte von einer Leiche zur nächsten, zerfetzte die Leiber der Toten und riss ihnen die Eingeweiden heraus, um dann weiterzujagen, weiterzusuchen, nach weiteren Opfern …
Terca hatte ausreichend Erfahrungen mit
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