Der Gottbettler: Roman (German Edition)
hakte Amela nach.
»Das Heer des Gottbettlers braucht stets frische Rekruten. Sie werden an den Waffen geschult und gemäß ihrer Fähigkeiten eingeteilt, um irgendwann für unsere gerechte Sache einzutreten.«
»Eine letzte Bitte, Herr.«
»Und zwar?«
Amela Dusong war am Ende ihrer Kräfte. Sie verriet und verkaufte alles, das sie noch hatte – und erhielt dennoch den vorstellbar niedrigsten Preis. Auch die Freundin zitterte nun und drohte ebenfalls ihre Haltung zu verlieren.
Gut so.
»Gib ihnen Zeit, Herr! Gib ihnen einige Jahre oder Monate. Verfüttere sie nicht an der Front. Lass sie ein klein wenig Leben haben!« Amela Dusong fiel auf die Knie. Rotz lief ihr aus der Nase. Sie hatte den Kopf weit vornübergebeugt und schluchzte hemmungslos, erbrach sich. »Ich tue alles … alles …«
»Natürlich tust du alles, was ich von dir möchte.« Metcairn Nife streichelte sanft über ihr blondes Haar. Es fühlte sich gut an. »Aber ich weiß nicht, ob dieses Alles genug sein wird.« Er wollte sich abwenden und zu den wartenden Adjutanten zurückkehren, wandte sich dann aber noch einmal der Knienden zu und flüsterte: »Ein jedes Wesen, so gering es auch sein mag, sollte zumindest eine Chance im Leben bekommen und niemals für die Sünden seiner Eltern büßen müssen. Eure Kinder werden erfahren, was ihr getan habt – und sie werden vorerst nicht an der Front eingesetzt.«
Metcairn Nife drehte sich um und ging davon. Du gefühlsduseliger Narr! , schalt er sich – und hatte dennoch das Gefühl, das Richtige getan zu haben.
7. Die Herrin der Unterstadt
Sie blickten von der Admunthöhle aus auf die See, auf dieses kochende Etwas aus Schaum, hochblubberndem Wasser, salzigen Fontänen, Algenbüscheln und vereinzelten Stücken von Treibholz. Dieser unglaubliche Lärm! Diese gleichmütige Wut, mit der die Götter des Ozeans seit Äonen gegen ihre Feinde vom Festland ankämpften! Diese Lust, alles und jeden zu schlucken, alles und jeden zu zerreißen!
Terca zählte mit. Drei kleine unbedeutende Wellenschläge wurden von einem größeren gefolgt, der das Wasser durch die vielen Kamine der Admunthöhle presste und vielerorts Fontänen hervorrief. Jeder sechste dieser großen Wellenschläge wiederum war von einer derartigen Wucht, dass die glattgeschmirgelten Höhlenräume zu vibrieren begannen, und jeder hundertzweiundvierzigste vibrierende Schlag war so heftig, dass Teile der Unterstadt bebten. Wer in Poitrea lebte, nahm den Rhythmus des Ozeans in sich auf, ob er nun wollte oder nicht.
Terca legte einige Tücher fein säuberlich neben sich und entzündete Kerzen rings um den Lagerplatz. Sie winkte Felitas Tochter zu sich und deutete ihr, sich niederzulegen. Das junge Gör gehorchte zögerlich. Ihr dick angeschwollener Leib war unter weit fallendem Stoff verborgen; doch ein Griff an den Bauch reichte, um Terca wissen zu lassen, dass sie die Hälfte der Tragezeit längst überschritten hatte.
»Warum muss es ausgerechnet hier geschehen?«, fragte Felita mit lauter Stimme. »Warum nicht an einem ruhigen Ort, an dem sich Gunguelle entspannen kann?«
»Ich habe meine Gründe«, antwortete Terca, ebenfalls so laut wie möglich. »Und nun reich mir meine Tasche.«
Salzkristalle klebten am Fels. Sie bildeten seltsame Muster und mitunter auch Figuren, deren Aussehen Terca seit jenen Tagen, da sie den Weg hier herab entdeckt hatte, zu deuten versuchte. Die Gebilde hatten etwas zu sagen, dessen war sie sich sicher.
Die Halbwüchsige wimmerte, ihre Beine zitterten. Sie hatte keine Ahnung, was auf sie zukam, was sie erwartete. Sie war noch viel zu jung, um auch nur zu erahnen, was eine Mutterschaft bedeutete.
Dennoch hatte sie gewusst, wie sie die Beine breitzumachen hatte. Dummes, dummes Kind!
Sie tat Gunguelle unrecht, und sie wusste es. Das Mädchen war Opfer eines marodierenden Söldners geworden. An einem Bach, beim Wäschewaschen, in der Nähe irgendeines Kuhdorfs. Der Mann war über sie hergefallen. Hatte sie von hinten genommen, sie entjungfert. Hatte ihr binnen wenigen Minuten ihre Jugend gestohlen. Um, nachdem er sich erleichtert hatte, Gunguelle in ihrem Blut liegen zu lassen und weiterzuziehen, einem unbekannten Ziel entgegen. Fröhlich pfeifend, wie die Mutter des heranreifenden Kindes voll Hass in der Stimme erzählt hatte.
Und nun lag sie da und wartete darauf, dass ihr der Leib aufgeschlitzt wurde.
Wenn sie Glück hatte, würde sie die Operation unbeschadet überstehen. Wenn es die Götter gut mit
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