Der Gottbettler: Roman (German Edition)
für den Ritt viel zu schweren Rüstungen unterwegs, unausgeschlafen und den Umgang mit Pferden kaum gewöhnt, fielen immer weiter zurück. Diejenigen, die ihn kannten, hatten erst gar nicht versucht, bei seinem Tempo mitzuhalten. Sie wussten um Mimars unvergleichliche Kraft und Ausdauer. Es war beileibe nicht das erste Mal, dass er ausbrach und weit vornweg ritt.
Weil ich ab und zu den Duft von Schweiß und Angst in der Nase brauche. Weil ich hin und wieder erfahren muss, dass ich noch wirklich lebe und nicht nur im eng anliegenden Korsett des Heerführers dasitze und Befehle erteile.
Metcairn Nife vertraute seinem Schlachtross blindlings; selbst in diesem Gebiet voller Spalten und Höhlenöffnungen, wo jeder falsche Schritt den Tod bedeuten konnte, hielt das Tier im Galopp nicht inne. Es fand seinen Weg mit traumwandlerischer Sicherheit und trug seinen Herrn auf jenes Lager zu, das Pae Loriander gestern bezogen hatte, unweit der Klippen, im Rücken der Oberstadt.
Rechts von ihm zeigten sich im fahlen Mondlicht die Ausläufer eines kleinen Wäldchens. Er meinte, eine Bewegung wahrzunehmen, achtete aber nicht weiter darauf. Dies hier war Wolfsland. Die Tiere verfügten über einen ausgezeichneten Instinkt. Sie würden ihn nicht angreifen und schon gar nicht Mimar, dieses kraftstrotzende Ungeheuer, sondern zurückbleiben und nach sichererer Beute Ausschau halten.
Das Schlachtross wurde langsamer und ging in einen gemächlichen Trab über. Vor ihnen zeigte sich ein breiter Einschnitt im Gestein, den sie umrunden mussten. Dahinter tanzten Schemen durch die Dunkelheit. Solche, die die goldene Faust am Brevier trugen. Der Hengst umrundete die Spalte, setzte vorsichtig Huf vor Huf, bis er das Lager von Pae Lorianders Leuten erreicht hatte. Misstrauische Blicke begegneten ihnen. Die drei Wachen, allesamt im Kampf gestählte Unteroffiziere, beugten erst ihr Haupt, als Metcairn Nife ihnen Vidal, das Schwert der Hoffnung, gezeigt hatte.
»Wo ist sie?«, fragte er ohne weitere Umstände.
»Sie ist mit einer der Gruppen eingestiegen, Heerführer.«
»Gibt es Rückmeldungen?«
»Nein, Herr. Der Plan sieht vor, dass unsere Leute an mehreren Stellen gleichzeitig zuschlagen. Wir haben zehn Häuser ausgemacht, in denen wir die Spitzen der hiesigen Aristokratie vermuten.«
»Zehn Häuser von vermutlich mehr als zweihundert.«
»Wir haben weitere Seile in die Tiefe gespannt. Wir sind darauf vorbereitet, die Reserven von etwa zwanzig Mann in den Kampf zu schicken und uns gleich darauf die nächsten zehn Häuser vorzunehmen.«
Der Plan Pae Lorianders beruhte auf Improvisation. Wie so oft, wenn sie in die Schlacht zog. Und dennoch hatte sie noch niemals versagt. Sie hatte einen untrügerischen Instinkt dafür, stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und sie war von einer Erbarmungslosigkeit, die Metcairn Nife niemals zuvor bei einem Menschen erlebt hatte.
»Diese Seile hier, wohin führen sie?«, fragte er und deutete auf jene Erdspalte, der sein Pferd eben ausgewichen war.
»Zum Hängehaus eines gewissen Pero Krotvie, eines Weinhändlers, Herr. Gerüchteweise wurde hier unser Magicus getötet.«
»Pae wird sich dieses Haus persönlich vornehmen, vermute ich?«
»Ja, Heerführer.«
»Wie lange noch, bis sie den Angriff beginnt?«
»Es wird gleich so weit sein, Heerführer.«
Metcairn Nife reichte dem Unteroffizier Mimars Zügel und flüsterte dem Schlachtross einige beruhigende Worte ins Ohr. Er zog den Waffenrock aus und rückte den ledernen Unterschurz zurecht, überprüfte den Sitz seiner Waffen und griff dann nach dem nächstgelegenen Seil. Kurz überlegte er, ob er Vidal zurücklassen sollte, entschloss sich aber dagegen. Das Schwert der Hoffnung mochte ihn beim Klettern behindern, doch es war ein Insignium seiner Macht. Beinahe jedermann im Weltenrund erkannte diese ganz besondere Klinge.
»Du solltest nicht …«
»Möchtest du mir etwa Ratschläge geben?«, fuhr Metcairn Nife den Unteroffizier an. »Habt ihr Kalk?«
»J-ja, Heerführer.«
In der Dunkelheit wurde getuschelt und gezischelt. Bald darauf reichte man ihm eine Schale. Er spuckte in die Hände und verteilte den Weißkalk sorgfältig, bevor er nach dem Seil fasste und sich an den Abstieg machte. »Meine Begleiter werden bald eintreffen. Sag ihnen, wo ich bin, aber achte darauf, dass sie sich nicht vor Sorge um mein Schicksal in die Hosen scheißen. Sollten sie dennoch in Ohnmacht fallen, sollen sie es so leise wie möglich tun.
Weitere Kostenlose Bücher