Der Gottbettler: Roman (German Edition)
seinem Ziel ein weiteres Stück näher gekommen war.
»Wir bekommen sie alle«, murmelte er.
»Wie bitte?«
»Nichts. Ich war nur in Gedanken und habe wiederholt, was jemand vor Kurzem zu mir sagte.«
»Ich verstehe, Hoher Herr.« Die Ordonnanz senkte den Kopf und entfernte sich rückwärtsgehend, begleitet von anderen Kreaturen ihrer Art, Adligen aus der Blume von Oriath, dem Geburtsland des Gottbettlers, die dieser mit unwichtigen Versorgungsposten beschenkt hatte.
Selbst sein Herr, der sonst kaum ein Interesse an weltlichen Dingen zeigte, war sich der Bedeutung des Adels bewusst. Diese Adjutanten waren allesamt Töchter und Söhne von Beruf, und sie lebten wie die Maden im Speck, denn sie wurden mit Kisten voll Mau entlohnt.
Andererseits … solange sie um ihn herumscharwenzelten, konnten sie nirgendwo anders Schäden anrichten. Schlimmstenfalls ruinierten sie das Nervenkostüm Metcairn Nifes. Doch ihre Familien, wohlhabende und einflussreiche Leute in der Blume von Oriath, würden niemals am Gottbettler zu zweifeln beginnen. Zumindest so lange nicht, wie ihre Kinder lebten, vom abenteuerlichen und romantischen Leben als Ordonnanz nach Hause schrieben und einen Teil ihres Solds ablieferten.
Metcairn Nife blickte zur fahrenden Burg, dann zu leise tuschelnden Adjutanten und schließlich zu Marmer Dunne, der eben seinen Kopf aus einer Wassertonne zog.
Ein Unlebender tanzte mit unvergleichlicher Grazie auf sein Zelt zu. Ganz im Gegensatz zu seiner Beweglichkeit, Körperbeherrschung und Geschicklichkeit im Kampf hatte er das Aussehen eines Monsters, das einem Albtraum entstiegen war. Das seltsame Wesen, das wie einige Dutzend andere von seinen Magicae aus Leichenteilen zusammengenäht und wiederbelebt worden war, lächelte freundlich und entblößte dabei die Zahnreihen eines Kindes, die ihm eingesetzt worden waren. »Wir müssen reden, Herr«, sagte der Unlebende. »Wir benötigen mehr Frischfleisch.«
Metcairn Nife nickte unwillkürlich und bat das tote Wesen ins Innere des Zeltes. Er fühlte sich so allein wie schon lange nicht mehr, und beinahe wünschte er Pae Loriander, seine Linke, herbei.
»Wozu dieser Ausflug?«, fragte Marmer Dunne. »Du weißt, dass ich mich auf dem Wasser verdammt unwohl fühle.«
»Mir geht’s genauso. Aber ich wollte, dass ihr alle zu sehen bekommt, was wir erobern. Und warum wir es tun.« Metcairn Nife deutete in Richtung der Stadt. Er hatte Mühe, auf den Beinen zu bleiben. Die nördliche Cabrische See war wie so oft unruhig, ihre Schaluppe war klein und wurde zwischen den Wellenkämmen hin- und hergeworfen. Die Bootsleute blickten immer wieder besorgt zu den Felsen und Riffen, die der Steilküste vorgelagert waren. »Schaut euch die Stadt an und sagt mir, was ihr seht.«
»Einen Ort, der auf seine Eroberung wartet.« Pae Loriander gab sich zwar unbeeindruckt von dem Schwanken unter ihren Füßen, doch ihr wettergegerbtes Gesicht nahm allmählich einen zarten Grünton an, und immer wieder schnappte sie heftig nach Luft, wie ein Fisch, der an Land gespült worden war.
»Festungen entlang der Häfen«, sagte Marmer Dunne. »Starkes Mauerwerk, hohe Brüstungen, Wächter allerorts. Poitrea ist auf Feinde gefasst. Selbst die Piraten der Oceanica hätten Mühe, die Steilstadt zu erobern.« Er trank aus seinem Humpen, und erst, als er Metcairn Nifes missbilligenden Blick sah, stellte er ihn beiseite.
»Ich sage euch, was ich sehe.« Der Heerführer hielt sich am Mast des Schiffs fest. »Poitrea ist ein Ort, wie er schlimmer nicht sein kann. Hoch oben in den Felsen leben die Reichen und Großkopfeten. Sie blicken auf das mindere Volk hinab. Sie haben sich gewagte Bauten in den Fels hauen lassen, Marmorburgen, scheinbar frei schwebende und nur mit Tauen fixierte Häuser, goldverzierte und das Sonnenlicht widerspiegelnde Türme. Prahlereien. Werke, die auf den Rücken der Armen und Ärmsten Poitreas errichtet wurden, die weiter unten dahinvegetieren müssen. Die von der Scheiße der Reichen leben. Sie müssen sich mit den Krümeln dessen zufrieden geben, was Bewohner der Oberstadt zu ihnen hinunterfallen lassen.«
»Na und?«, fragte Pae Loriander. »So ist es auch andernorts, so wird es immer sein.«
»Mag sein, dass es niemals völlige Gerechtigkeit gibt. Aber wir werden dafür sorgen, dass ein gewisser Ausgleich stattfindet.«
»Ach ja? Und wie, Heerführer? Wer wird denn die Stadt verteidigen, sobald wir angreifen? Man wird uns bezahlte Söldner entgegenschicken, um die
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